Vom 31ten Juli bis 23ten August (31. Juli – 23. August 1875)

Cosima Wagner Tagebücher

nicht geschrieben, wie vieles liegt dazwischen! – 

Am Sonnabend 31. großes Bankett für unsere Sänger; abwesend Scaria, Materna (krank), Schlosser, Vogls, Niemann – sonst alle da, dazu Ballettmeister Fricke, Brandt, Richter, Seidl, Rubinstein; alle Beteiligten. R. ’s Anrede ergreift zu Tränen, Hill erwidert ihm, Betz läßt den Vater leben; der Vater läßt R. wieder leben. Als wirklich geglückt darf diese Vereinigung erscheinen.

Sonntag den 1ten am Nachmittag Orchesterklangprobe; R. wird jubelnd vom Orchester empfangen, Betz singt: »Vollendet der Bau« [1], himmlische Klangwirkung, überwältigender Eindruck, R. sehr ergriffen. – 

Montag 2ten August (2. August 1875) Rheingold-Probe am Vormittag nur mit Orchester, nachmittags mit den Sängern, mein Vater immer dabei, Freundin Mimi [2] kommt an, wohnt auch allem bei, abends immer Rout, zu Tisch stets einige Gäste. 

Dienstag (3. August 1875) zweiter Teil von Rheingold und dasselbe Leben, von Mittwoch ab jeden Tag einen Akt; alle, Musiker wie Sänger, mit unbedingter Begeisterung und Freude dabei, unbeschreiblicher Eindruck auf das sehr große Publikum; von Freunden Schleinitzens (der Minister kommt hinzu) Eckerts, Rohde, Overbeck, Gersdorff, Heckels, Schirmers [3] (Amerika), Menzel der Maler und viele andere. Der Schluß geschieht unter solcher Ergriffenheit, daß alle Teilnehmenden sich gestehen, nicht zu wissen, wie sie das gewöhnliche [Leben], zumal das gewöhnliche Theaterleben werden ertragen können.

Am 13ten [1] gibt R. dem Orchester und den noch anwesenden Sängern ein Gartenfest und hält ihnen eine Anrede, in welcher er dankend erwähnt, daß solche Zeiten Gefühle wecken, welche gewöhnlich in ihnen schlummerten. Er fordert meinen Vater auf, für die Orchestermusiker zu spielen, welche zum Teil ihn nicht gehört hätten, der Vater tut es und spielt herrlich seine für den Augenblick so gut gewählte »Legende des h. Franciscus« [4]. – 

Auf den darauf folgenden Tag (14. August 1875) Abschied von allen, mit großer Ergriffenheit. Mein Vater, welchen Frau v. Meyendorff hier besucht hat, fährt am Dienstag 17tenab. In den letzten Tagen seiner Anwesenheit trifft noch der seltsame Lohn ein, welcher ihm seitens der Öffentlichkeit zu Teil wird. Da man nun nichts mehr über ihn, dessen Verhältnis zu allen und Wunderwirkungen offenkundig geworden, sagen kann, so bin ich es, welche man mit Schmach bedeckt, ich kränke alle, verhetze meinem Manne alle Freunde, Pr. Hoffmann, Betz, Niemann, Richter u.s.w., ja bis zum Münchner Theaterschneider hätte ich gekränkt. R. gibt eine öffentliche Erklärung ab, daß alles erlogen sei, und schreibt nun an Richter, daß sein Verhalten zu unserem Hause (niemals zu erscheinen, wenn er aufgefordert wurde) den Vorwand zu derlei Schmähungen gäbe und er von ihm ein reuiges Bekenntnis und ein Versprechen, daß dies künftig anders würde, [verlange]. 

Langes Schweigen seitens Richter, dazwischen Briefe an mich, ein vollständiges Tollhaustreiben, wozu die Zurückschickung der Partie seitens Niemann wohl die meiste Veranlassung gab; R. erkennt Herrn Julius Lang an vielem und Bon Perfall: Vogl hatte nämlich den Auftrag, sich bei R. zu erkundigen, ob dieser erwidern würde, wenn Perfall ihm einen langen explikativen Brief schrieb, worauf R. verneinte. – Endlich …


[1] Richtig: „Vollendet das ewige Werk“, Wotan im 2. Bild Rheingold.
[2] Marie von Schleinitz.
[3] amerikanische Förderer RWs.
[4] Sonnenhymnus des hl. Franziskus von Assisi, 1874, von Franz Liszt.


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