- 01 Jänner
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(RWM) Entwurf Einladung an die Orchestermitglieder samt Revers von Richard Wagner, Entwurf
01 Jänner 1875___
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Cosima Wagner an Betty Schott
01 Jänner 1875
184. Cosima Wagner an Frau Betty Schott.
Bayreuth I. Januar 1875
Werthe und liebe Frau Schott!
Unseren herzlichsten Glückwünschen zum neuen Jahre füge ich noch tausend Danksagungen bei für persönliche und allgemeine Freundlichkeiten der Theilnahme. Mein Mann nimmt sich fest vor als erste Arbeit des neuen Jahres das 'Albumblatt'504 für Sie zu entwerfen, denn er will Ihnen nicht nur ein Autograph, sondern einen musikalischen Gedanken widmen. Ich glaube, Sie werden sich über das Arrangement der 'Rheintöchter'-Scene505 seitens J. Rubinstein freuen, und ich hoffe, es einmal von Ihnen spielen zu hören. Mit Vergnügen vernahm ich von Mathildchen506, daß Sie sich vornehmen, nächsten Sommer uns zu besuchen, führen Sie dieses so aus. Ich denke, es wird Ihnen hier nicht mißfallen, zumahl [!] wir wohl Proben schon haben werden und daher manchen bedeutenden Künstler. Das vergangene Jahr war ein hartes; es war schön von Ihnen, daß Sie in der Thätigkeit für einen großen Gedanken507 die Hülfe gegen den Schmerz und die Vereinsamung suchten. Ich denke, daß Sie sie auch darin gefunden haben, und, indem ich dieses denke, kann ich wie im Beginn dieser Zeilen Glückwünsche aussprechen.
Der Laubenheimer ist nun die Zierde unseres Kellers, und mein Mann dankt Ihnen herzlich, so seiner gedacht zu haben.
Mit besten Grüßen ...
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Richard Wagner an Friedrich Feustel
01 Jänner 1875
Richard Wagner, Bayreuth anFriedrich Feustel, Bayreuth
An Friedrich Feustel.
(Bayreuth 1. Januar 1875.)
Seien Sie mir herzlichst gegrüßt zum neuen Jahre,mein lieber, theurer Freund!
Vielleicht sehe ich Sie noch heute. Sollte es zu spät werden, so bin ichso frei einstweilen Ihnen die Sylvester-Bescheerung zur (gelegentlichen)Ansicht zu übersenden, welche mir die Herrn »Rechtsnachfolger« gestern bereitethaben.
Ich denke, wir werden einmal wieder bei einemGlase Bier Berathung halten müssen?
Alles Gute und Wohlverdiente wünscht Ihnen undden lieben Ihrigen
Ihr
allerergebenster
Richard Wagner.Bayreuth
1. Jan. 1875.Herrlich! Ich sehe soeben, daß mein Brief an Sie von heute Vormittag inmeiner Schreibmappe verblieben ist!
Nun wenn ich kein Genie bin!!!
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Richard Wagner an Hans Richter (Gedicht)
01 Jänner 1875
I.
Dem Meister stand der Gesell zu Seite,
daß der eine tüchtige Meisterin freite:
nun steht der Meister zu seinem Knaben,
der Richter soll eine Richterin haben.Der Meister nimmt die Sache wichtig,
damit es bei Richtern steh' immer richtig:
und daß es tüchtig beim Trauen fleckt,
der Meister sich hinter den Augusz steckt:
den Segen ertheilt für ihn der Baron;
und kommt auch die Walküre nicht in Person,
zu richten den Richters die Eh'stands-Uhr,
so kommt sie doch wenigstens in Partitur:
sie ist nicht von Gluck, doch wünscht sie euch Glück,
daß kein böser Spuk eu're Seele berück'!Gedenkt dess' noch in fernen Tagen,
wie Richter und Wagner es einst mochten wagen,
eher Werk und Taktstock zu zerschlagen,
als die Welt mit schlechten Aufführungen zu plagen;
dafür nun blüh' euch Segen und Lohn:
das Weit're sagt besser Augusz der Baron!(Januar 1875.)
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Richard Wagner an Muncker
01 Jänner 1875
Gedenk', o Mensch, der Polizei,
daß nie sie dir aufsäßig sei!
Sie wirkt und webt, sie schafft und stopft,
wann wild man an die Thüren klopft.Wer Großes will, sei auf der Hut,
stell' mit der Polizei sich gut;
wär' er auch noch so sehr gerecht,
er stünde mit der Menschheit schlecht!D'rum bitt' ich den Herrn Bürgermeister,
daß dieses Zettels Leim und Kleister
zu groß' und kleinen Klößen
er würdig mög' auflösen,
daß Jeder was bekomm',
der würdig, brav und fromm!(Bayreuth, zum Sylvester 1875.)
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- 02 Jänner
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(EN) Richard Wagner to Emil Heckel (FEHLER)
02 Jänner 1875
To EMIL HECKEL
Dear Friend!
(BAYREUTH, January 2, 1875.)
Once again: a good New Year ! But now come the worries, namely, the definite decisions as to casting certain roles for my work. As I have quite a collection of interrogation points before me in regard to Mannheim, I appeal to you as a diplornat, hoping you will do better b): me than Count Arnim did by Bismarck.
1. Herr Unger shall make the effort to learn the Loge and in addition study the Siegmund for an emergency. This could be of advantage to him in the future, in case he is present at all of
the rehearsals, even should he not sing it just· yet in Bayreuth.2. Herr Knapp I should like to have for Fafner, on account of many characteristics; friend Langer must see if this is possible with Knapp's voice (on account of the deep tones). If not, then he shall stick to Donner, with the study of Gunther as doublette - just in the same way as Unger with Siegmund.
3. Fräulein Auguste v. Müller:" Grimmgerde," one of thc Valkyries : Erda and First Norn for emergency, vide: Unger -Siegmund.
4. Fräulein Johanna König- the bird's voice in "Siegfried," - the somewhat slight figure of the lady, preventing my making further use of her. I should like to have used her for the first Rhine daughter, Woglinde; but for this I need, above all, routined, experienced, and courageous warnen, as they sing most of the time in a flying machine for which the Lehmann sisters (Lilli and Marie) have offered themselves. But: caution is also advised here: Fräulein König may as weil study the Woglinde, just as it would be advisable for Fräulein v. Müller to study the Flosshilde.
Friend Langer is to look after all the coaching - these are the temporary machinations; if I receive good news from you as to the willing ness of the abovc-mcntioned singers, official rneasures, distribution of the roles, more exact arrangements will follow. Only I must be ab solutcly assurecl of thc w1conditio11al willingness of the participan ts in evcry way; this was a point emphasised in my suggcstion.
Artistic sensitiveness, coveting of roles, and any demands of this nature will necessitate a complete breach whenever I meet with such conditions.
Only by the voluntary good-will of all participants can that which I have in view be success fully accomplished.
I still need a Sieglinde: [1] that is a calamity!
[1] The greatest trouble Wagner encountered in the casting of his work was in finding a suitable Sieglinde and Siegfried.
She must be slender and competent. Frau Jaide will not answer. Have you thought of anyone? In case Knapp does not wish to sing Fafner, do you know of any suitable fellow for thc role? However, he must be a deep, powerful bass.
A thousand cordial greetings from house to house, and to the distinguished just men !
Your little old
RICHARD WAGNER.
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Richard Wagner an Emil Heckel
02 Jänner 1875
140. An Emil Heckel.
(Bayreuth, 2. Januar 1875.)
Lieber Freund!
Nochmals: Gutes, neues Jahr! - Jetzt aber kommen die Sorgen, nämlich: die näheren Bestimmungen für die Besetzung gewisser Parthien in meinem Dinge. Da ich in Mannheim eine ganze Ansammlung von Frage-Zeichen vor mir habe, wende ich mich an Sie als Diplomaten, weil ich hoffe, Sie werden mit mir besser umgehen, als Graf Arnim mit Bismarck.
1. H. Unger soll den Versuch machen, mit dem Loge fertig zu werden und nebenbei (für den Nothfall) den Siegmund studiren, was ihm für die Zukunft, selbst wenn er ihn zunächst in Bayreuth nicht singen sollte, nur von Nutzen sein kann, sobald er hier allen Proben mit beiwohnt. -
2. Herrn Knapp hätte ich, vieler seiner Eigenschaften wegen, gern zum Fafner: Freund Langer soll doch sehen, ob dies mit Knapp's Stimme (der einigen Tiefe wegen) geht. - Wenn nicht, bleibe es beim Donner, mit dem Studium des Gunther als Dublette, - - ganz in dem Sinne wie bei Unger mit Siegmund. -
3. Fräulein Auguste v. Müller: »Grimmgerde«, eine der Walküren. Erda und 1 Norn als Dublette für die Fälle vide: Unger - Siegmund.
4. Fräul. Johanna König - die Vogelstimme im Siegfried - die etwas kleine Figur der Dame verwehrt es mir, sie weiter zu beschäftigen. Wohl hätte ich sie noch zur ersten Rheintochter »Woglinde« verwenden können: hierfür bedürfte ich jedoch in erster Linie sehr bühnenkundige, erfahrene und muthige Frauenzimmer, denn sie singen meistens in Flugmaschinen, wofür die Schwestern Lehmann sich mir erboten haben. Aber: Vorsicht ist auch hier gut; Frl. König möge die Woglinde, sowie Frl. von Müller auch die Floßhilde sich einstudiren.
- Für alle Studien möge Freund Langer sorgen. - Dies die vorläufigen Machinationen; erhalte ich nun von Ihnen gute Nachricht in Betreff der Bereitwilligkeit der Genannten, so erfolgen meinerseits die offiziellen Schritte, Zusendung der Partien, nähere Abmachungen. Nun muß ich über den in meinen Vorschlägen berechneten Punkt der unbedingtesten Willigkeit, in jeder Weise, die ich dem Ganzen für zuträglich halte, mitzuwirken und fest einzutreten, vollkommen versichert sein. Sänger-Empfindlichkeiten, Rollen-Begehren und Ansprüche in diesem Bezug, nöthigen mich da, wo ich sie antreffe, sofort zum vollständigen Abbruche. Nur aus dem freien, guten Willen aller Mitwirkenden kann das hervorgehen und gelingen, was ich beabsichtige.
Noch fehlt mir eine Sieglinde; das ist ein Elend! Sie muß schlank und tüchtig sein. Mit Fr. Jaide geht es nicht. Ist Ihnen Etwas vorgekommen? Falls Knapp nicht den Fafner will: hätten Sie dort so einen gehörigen Kerl dafür? Allerdings muß es eigentlich ein kraftvoller tiefer Baß sein. -
Tausend herzliche Grüße von Haus zu Haus und an die ausgezeichneten Gerechten!
alter kleiner
Richard Wagner.Bayreuth,
2. Jan. 1875.___
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- 14 Jänner
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- 15 Jänner
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(EN) Richard Wagner - Invitation to the Singers
15 Jänner 1875
Richard Wagner – Invitation to the Singers
Source: The Story of Bayreuth
In the course of the personal intercourse with you, which it has been my privilege to enjoy, you have learned of my wish to secure your Co-Operation in carrying into effect, under absolutely unique conditions, a three-fold performance of my four-part stage work entitled the "Ring of the Nibelung."
….
" I believe that the realisation of this idea, which, on the one hand, has depended upon the extraordinary support of the friends and patrons of my art, can only be made possible by the cordial and vigorous consent of the distinguished artists whose co-operation has been solicited, as the support of my patrons should and must only be given to an undertaking in connection with which there is no thought of money-making speculation. You will therefore find yourselves ( perhaps for the first time in your lives) called upon to devote your gifts solely and singly to the achievement of an ideal artistic purpose, namely, that of showing to the German public what the German is able to do with bis art on his own native ground, and in this way be able to present to foreign countries, from whose artistic leavings we have lived chiefly up to this time, something which they are not capable of imitating."
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Richard Wagner - Einladung an die Sänger
15 Jänner 1875
II. Einladungs-Schreiben an die Sänger für Proben und Aufführungen des Bühnenfestspiels »Der Ring des Nibelungen.«
[20. Januar 1875.]
Wie Ihnen dies aus meinem, für mich so erfreulichen, persönlichen Verkehr mit Ihnen bekannt geworden ist, wünsche ich Ihre Mitworkung zur Ausführung meines Vorhabens, unter gänzlich ausnahmsweisen Verhältnissen eine dreimalige aufführung meines vierteiligen Festspieles, betitelt »Der Ring des Nibelungen« stattfinden zu lassen. Ich glaube, das die Verwirklichung meiner Absicht, wie sie eines Teiles an eine außerordentliche Teilnahme vermögender Freunde und Gönner meiner Kunst gebunden war, anderen Teiles nur durch den herzlichen und kräftigen Willen der vorzüglichen Künstler selbst, um deren Mitwirkung ich mich beworben habe, zu ermöglichen sein kann, da die Teilnahme meiner Patrone nur einem Unternehmen gelten durfte und sollte, bei welchem jeder Gedanke an eine Gewinn bringende Spekilation ausgeschlossen war. Somit ersehen Sie sich, vielleicht zum ersten Male in Ihrem Künstlerleben, dazu berufen, lediglich und einzig der Erreichung eines idealen Kunstzweckes Ihre Kräfte zu widmen, nämlich: dem deutschen Publikum zu zeigen, was der Deutsche auf dem eigensten Gebiete auch seiner theatralischen Kunst vermag, und hiermit dem Auslande, von dessen Abfällen wir bisher zum großen Teile lebten, unsererseits etwas ihm Unnachahmliches vorzuführen.
Gestatten Sie mir nun, auch Ihnen persönlich die Verpflichtungen zu bezeichnen, welche Sie, in der einzig von mir angenommenen Voraussetzung, übernehmen wurden, sobald Sie, um was ich Sie herzlich bitte, die schließliche Zusage Ihrer Mitwirkung mir erteilen. Sie werden diese Verpflichtungen sich selbst am Genauesten vorschreiben können, wenn ich Ihnen den für die Vorbereitungen und die Aufführungen von mir am zweckdienlichsten erkannten Plan mitteile, welchem angemessen Sie, je nach der von Ihnen übernommenen Partie, Ihre Mitwirkung, namentlich die hierauf zu verwendende Zeit betreffend, sich zugeteilt ersehen werden.
Vom ersten Juli bis ersten August dieses Jahres 1875 sollen in Bayreuth die ersten vorbereitenden Proben stattfinden: von dieser Zeit soll
die erste Woche des Juli auf Proben am
Klavier für »das Rheingold«
die zweite Woche ebenso für »die Walküre«
die dritte für »Siegfried«
die vierte für »Götterdämmerung«verwendet werden.
Vom ersten bis fünfzehnten August sollen dieselben Proben in gedrängter Aufeinanderfolge, mit Hinzuziehung des vollständigen Orchesters wiederholt werden, und zwar zum Zwecke einer ersten Bekanntmachung der Musiker mit ihrer Aufgabe, sowie der Verdeutlichung des musikalischen Ensembles sur die hierbei anwesenden Sänger.
Die dritte Woche des August soll außerdem bereits zur Prüfung und Feststellung schwieriger szenischer Evolutionen, unter Anleitung des Maschinisten und Dekorationsmalers, bei notwendiger Mitwirkung der hierbei beteiligten Darsteller verwendet werden.
Nach diesen, im laufenden Jahre 1875 bewerkstelligten Vorbereitungen, sollen die Monate Juni und Juli des nächsten Jahres 1876 den vollständigen Hauptproben des ganzen Werkes gewidmet werden. Hierunter verstehe ich, daß, mit Vermeidung jeder Ueberanstrengung und Ermüdung, Tag für Tag mit Orchester und vollständiger Szenerie, die einzelnen Teile in der Weise durchprobiert werden sollen, daß in der Zeit vom ersten Juni bis zum fünfzehnten Juli aufeinanderfolgend »das Rheingold«, »die Walküre«, »Siegfried« und »Götterdämmerung«, vom fünfzehnten bis dreißigsten Juli aber, je nach Bedürfnis, alle vier Stücke zur Probe gelangen.
In der ersten Woche des August 1876 soll dann die erste Aufführung des ganzen Werkes in folgender Weise stattfinden:
Sonntag: Abends um 7 Uhr Beginn der Aufführung von »Rheingold«;
Montag: Nachmittag 4 Uhr »die Walküre«, erster Akt; um 6 Uhr zweiter; um 8 Uhr dritter Akt. (Die großen Zwischenpausen sollen, wie zu neuer Sammelung des Publikums in einer angenehmen Oeffentlichkeit der Umgebung des Theaters, so gleichfalls zur Erholung für die ausführenden Künstler, in hierzu vorbereiteten, ihren Ankleideräumen unmittelbar nahegelegenen und verdeckten Gartenräumen verwendet werden.)
Dienstag: in gleicher Weise von Nachmittag 4 Uhr beginnend »Siegfried«.
Mittwoch: ebenso: »Götterdämmerung«.
Ganz in derselben Weise soll dann in der zweiten Woche des August die erste, und in der dritten Woche die zweite Wiederholung der Gesamtaufführung vor sich gehen.
Wenn ich Ihnen hiermit diesen Aufführungsplan vorzeichne, verfahre ich gemäß der genauen Kenntnis der Schwierigkeiten meines Unternehmens, sowie andrerseits der Leistungsfähigkeit unserer künstlerischen Kräfte, sobald im Betreff ihrer Mitwirkung eine unbedingte Willigkeit anzunehmen erlaubt ist. Nur in der Voraussetzung dieser letzteren, wie ich Ihnen dieses zuvor sagte, unternehme ich mein Werk und hoffe auf dessen Gelingen.
Wollen Sie nun durch eine bindende Zusage Ihrerseits mich in den Stand setzen, Sie als zur Mitwirkung bei der Aufführung meines Bühnenfestspieles gewonnen betrachten zu können, und hiermit zugleich mir anzuzeigen, ob, und von welcher Höhe Sie eine Entschädigung hierfür in Anspruch nehmen. Aus der oben Ihnen gegebenen Bezeichnung der von mir zu den Patronen der Unternehmung eingenommenen Stellung erkennen Sie, daß für jeden Mitwirkenden der Gedanke an einen Gewinn ausgeschlossen sein, ja sogar Opferwilligkeit durchgängig vorausgesetzt werden muß. Dennoch bin ich darauf bedacht gewesen, in den Fällen, wo das Opfer unerträglich sein würde, die nötigen Entschädigungen sur Ihre Mitwirkung bereit zu halten, und es wird mir namentlich durch die bereits mir kundgegebene großmütige Verzichtung auf jede Entschädigung von Seiten einiger ausgezeichneter Künstler, möglich werden, in diesem Punkte so verfahren zu können, daß keine der von mir in das Auge gefaßten künstlerischen Kräfte aus dem Grunde unüberwindlicher materieller Schwierigkeiten ihre Mitwirkung mir wird versagen müssen.
In diesem Sinne erwarte ich nun Ihre geneigte Erklärung, um zu wissen, daß ich Sie Denjenigen beizuzählen habe, welche durch freiwillige Verpflichtung sich, für den Zweck der Verwirklichung eines noch nie zuvor entworfenen künstlerischen Ideales, zu einem wahrhaft genossenschaftlichen Vereine von wertvollster Bedeutung verbinden.
R.W.
Bayreuth
15. Januar 1875.___
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- 28 Jänner
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(EN) Richard Wagner to Emil Heckel
28 Jänner 1875
To EMIL HECKEL
(BAYREUTH, January 28, 1875.)
Well, here is the desired (circular). We shall be able to manage eight or ten marks a day for those without means; therefore - say to the singers that they can make this condition.
Great care will be taken that my company re ceives good and cheap accommodations.
Good evening, dear friend.
Yours,
RICHARD WAGNER.
(Clerk.)
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Richard Wagner an Emil Heckel
28 Jänner 1875
145. An Emil Heckel.
(Bayreuth, 28. Januar1875.)
Also, hier ist dasGewünschte. 8 bis 10 Mark Entschädigung pro Tag u.s.w. werden wir wohl für dieUnbemittelteren gut herausbringen: also - sagen Sie den Leuten, daß sie dasbedingen könnten. Für gutes und billiges Unterkommen meiner Bande wirdgründlich gesorgt.
Guten Abend, lieberFreund!
Ihr
R. Wagner
(Canzelist.)___
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- 07 März
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485. Ludwig II., München an Richard Wagner, Bayreuth – 07. März 1875
07 März 1875
Ueber Alles theurer, treu und
innig geliebter Freund!In der Ideale heil'ge Räume
Mußt Du fliehen aus des Lebens Drang:Freiheit ist nur in dem Reich der Träume
Und das Schöne blüht nur im Gesang.Dieß rufe ich mit Schiller ausund flüchte mich aus dem Drange des Alltaglebens zu Ihnen empor, Sonne meinesDaseins, Wunderborn meiner Ideale! Lange, lange hat mich nichts so erfreut underquickt, als jener so überaus fesselnde Brief, den Sie im vergangenen Herbstean mich zu richten so freundlich waren und worin Sie die Güte hatten, mir,meiner Bitte gemäß, recht ausführlich über den Stand des großen Unternehmens zuschreiben. Für jene so hoch willkommenen Mittheilungen, sowie für den theurenBrief aus Anlaß des Jahresschlusses und die mir hochwillkommene Weihnachtsgabe,die mich innig erfreute, bitte ich Sie meinen endlich direkt erfolgenden, wennauch spät kommenden, tiefgefühlten Dank entgegen zu nehmen; er stammt aus nieerlahmender, begeisterungserfüllter, idealerglühender Seele, aus einem Herzen,das in bis in den Tod getreuer Freundschaft für Sie, treu Geliebter, schlagenwird. Wie traut und schön, wie sinnreich in der Ausführung muß, den trefflichenAbbildungen zu entnehmen, das Heim sein, welches Sie Sich in Bayreuthgeschaffen haben! Wahnfried muß ich besuchen! - Ihr Vorschlag, vielgeliebterFreund, statt abgeschmackten, fürstlichen Collegen im Theater die honneurs zumachen und somit das feilste, fade, mir ebenso wie früher verhaßte Hoflebennach Bayreuth zu verpflanzen und mir somit den heiß ersehnten Kunstgenuß zuverbittern, Ihr Vorschlag, sage ich, das große Werk Anfangs vor mir allein,etwa unter dem Namen einer Generalprobe (wie es bei Tristan der Fall war), zurAufführung zu bringen, dieser Vorschlag entzückt mich; denn so kann ich michungestört von lästigen Angaffern dem glühend ersehnten Genusse, den Ihrgöttliches Werk mir bieten wird, hingeben. Dringend aber bitte ich Sie, dreimalallein vor mir das Werk zur Aufführung bringen zu lassen; denn aus vollen Zügendrängt es mich, Wonnen schlürfen zu können, aus jenem Wunderbronnen mich zulaben, wonach ich verlange seit so vielen, vielen Jahren. Die Sehnsuchts- undBegeisterungsflammen für Ihre Ideale werden nie in mir erlöschen! - Sie schriebenmir in jenem himmlischen Briefe vom 1. Okt. es wäre noch nicht entschieden, obdie Sängerin Nielson die Parthie der Sieglinde erhalten wird. Ist dieß nunfestgestellt? werden im August dieses Jahres die Proben sicher beginnen? ist esganz bestimmt, daß im Aug. 76 das große Unternehmen in das Leben tritt? Ichbitte Sie, mir gütigst über den jetzigen Stand der Dinge Mittheilungen machenzu wollen! Ich wäre Ihnen so dankbar dafür. - Ich ersuche Sie ferner, mir diegediegensten Werke bezeichnen zu wollen, welche in letzter Zeit über Sie,Theuerster, und Ihre Werke erschienen sind. Ist Ihnen vielleicht bekannt, wasdie letzten Arbeiten von Porges enthalten? Sie schrieben sehr anerkennend überdie für die Dekorationen zu den »Nibelungen« entworfenen Skizzen. Wenn Sie sofreundlich sein wollten, dafür Sorge zu tragen, daß mir jene Entwürfe zurEinsicht baldigst vorgelegt werden, [so] würde mir dieß sehr große Freudebereiten. - Wie glücklich macht es mich, daß Sie den »Parcival« mir gelobthaben, daß auch dieser ideale, von mir mächtig ersehnte Traum in Erfüllunggeht; denn Alles hiezu liege1 zu den Studien bereit, haben Sie mir geschrieben;dieß zu wissen, ist mir eine große Beruhigung. Welch ein gewaltiger UmschwungIhrer Stimmung muß in Ihnen eingetreten sein; welche Schaffensfreude, welcheGewißheit, Alles Erstrebte zu erreichen, liegt in Ihren letzten Briefen; wieselig macht mich dieß; welch ein Unterschied im Vergleiche zu so manchenBriefen und Aeußerungen, die ich sonst zu meinem tiefen Schmerze von Ihnenvernehmen mußte möge der Geist der Entmuthigung für immer von Ihnen gewichensein! Wie durch die Herabsendung des Hl. Geistes am Pfingsttage nach heftigenStürmen das Licht selbst in den verhärtetsten Seelen den Sieg gewann, der Geistder Wahrheit triumphirte, so wird die sonst Ihrem Schaffen so lieblos, soverstockt, oft so begeisterungsbaar, ja feindselig sich zeigende Nationüberwunden, durch die in Ihren gottentstammten Werken herrschende Macht derreinen, heiligen wahren Kunst überzeugt und hingerissen werden, wenn imnächsten Jahre das erhabene Werk ihrem Geiste sich offenbart.
Außer der Bitte um die 3 maligeAufführung der »Nibelungen« für mich habe ich noch eine auf dem Herzen, derenGewährung mich wahrhaft beglücken würde. Ich bitte Sie, theuerster Meister,inständig, für mich (wenn Sie auch sonst nichts davon wissen wollen) jeneleidenschaftlich von mir geliebten Worte, die Sie früher für die Brünhildebestimmt hatten, in Musik setzen zu wollen, jene Verse, welche mit: »Vergingwie Hauch der Götter Geschlecht« beginnen, mit »selig in Leiden und Lust läßtdie Liebe nur sein!« enden. - Außerordentlich würde es mich freuen, in denAufführungen vor mir jene so tief bedeutsamen, so wahrheitserfüllten Worte,jenes herrlich erhabene Evangelium der Liebe, welches Brünhilde der Welt vorihrem Scheiden zurückläßt, erklingen zu hören!
Sind Sie, geliebter Freund, der»Sieger« wohl noch eingedenk? - Fafner ist besiegt, siegreich schwingen SieNothung! Vollendet das ewige Werk! Möge Krankheit und Kummer fern von Ihnenfliehen für immerdar, möge, es ist dieß mein sehnlichster, tief empfundenerWunsch, eine lange, lange Reihe glückerfüllter, durch keinen Schatten vonTrübsinn jemals getrübter Jahre Ihnen, über Alles theurer Freund, von derVorsehung beschieden sein, Gottes Segen, der so sichtbarlich stets mit Ihnenwar, stets auf Ihrem theuren Haupte und Ihrer Familie ruhen, IhreSchaffenskraft u. -freude Ihnen erhalten bis in das höchste Alter!
Die tief innigsten Grüße entsendeich Ihnen aus unwandelbar treuer Freundesseele und verbleibe inunerschütterlicher Liebe, im felsenfesten Glauben an das Gedeihen, den TriumphIhres großen Sendungswerkes und hoffend auf die Realisirung aller Ihrer Pläne,Ihrer heiligen Ideale - mitfühlend leidvoll, wenn Sie leiden, glückerfüllt,wenn ich weiß, daß die Sonne des Glückes Ihnen lacht - treu ohne Wanken bis inden Tod
Ihr
getreues Eigen
Ludwig.München
den 7. März
1875.___
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- 17 März
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Tod Klara Wilhelmine (29.11.1807 - 17.3.1875)
17 März 1875
Richards Schwester Klara Wilhelmine stirbt.
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- 06 April
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486.1. Richard Wagner, Bayreuth an Ludwig II., München – 06. April 1875
06 April 1875
Mein erhabener Herr und
grossmüthigster Freund!Noch ist in meinem jetzt sogeplagten Leben die Stunde nicht gekommen, die ich mir zu einer Antwort auf denunsäglich beglückenden Brief ersehnte, welchen ich von meinem hochgeliebtenFreunde noch in Wien1 erhielt. Doch gemahnt es mich zu dringend, Ihnen endlichwenigstens die schuldige Beantwortung der Fragen und Wünsche zu erstatten,deren Gegenstand und Inhalt mich mit so warmem Stolz erfüllen mussten. Möge mirder Huldreichste dieser Erde gnädigst verzeihen, dass ich hiermit so langezögern konnte! Hatte ich doch eine kurze Zeit lang mit der herrlichen Hoffnungmir geschmeichelt, ich würde zu dem erhabenen Glücke begünstigt sein, IhnenAlles diess persönlich und mündlich zum Bericht bringen zu können2! Dass gerademeines Allergnädigsten Herren anhaltendes Unwohlsein der Hauptgrund derZerstörung meiner Hoffnungen sein musste, wie tief hatte mich dieses Schicksalwiederum zu bekümmern! - Doch nun zu dem, was mein erhabener Herr wünschte undbefahl! -
Die Skizzen des Malers Hoffmannin Wien sind, bis auf die wenigen, deren Ausführung gerade jetzt in Arbeit ist,an Hofrath Düfflipp zum Befehl Eurer Majestät abgesandt worden. Im Betreffdieser Skizzen habe ich zu erklären, dass sie zum Theil, im Interesse derscenischen Verwendbarkeit, bei der Ausführung verändert werden müssen; hierübergerieth ich mit dem Künstler, der sie entworfen, in so grosse Schwierigkeiten,dass ich, bei seinem sonstigen unverträglichen Charakter, diese meinenscenischen Intentionen entsprechende Ausführung in die Hände der höchsttalentvollen Maler Brückner in Coburg übergehen lassen musste, wodurch ich nunsicher geworden bin, dass Alles nach meiner letzten Anordnung hergestellt wird.Als, nach meiner Ansicht, vorzüglich entworfen, erlaube ich mir, meinemerhabenen Herren die erste Decoration des dritten Aktes des Siegfried (Scenedes Wanderers und der Wala), dann die Wald- und Felsenhöhen, die SchmiedehöhleMime's, sowie auch die erste Scene des dritten Aktes der Götterdämmerung(Jagdwald und Rhein) zu bezeichnen. Sehr erfindungsvoll dünkt mich die Walhall,nur muss hier noch Vieles geändert werden, und schliesslich wird die »Brücke«uns noch viel zu schaffen machen, wogegen ich hierfür mit Brandt jetzt dasRichtige getroffen zu haben glaube, indem ich festgestellt habe, dass einnatürlicher Regenbogen durch Froh's Zauber in eine wirkliche Brücke für dieGötter verwandelt wird. (Diess waren eben Dinge, die ohne meine thätigsteMitwirkung und Erfahrung nicht in das Reine zu bringen waren.) Mit mehreren,auf der Skizze noch nicht verzeichneten, Abänderungen glaube ich nun auch denWohnraum Hundi[n]gs (1. Akt der Walküre) originell und zweckmässig hergestelltzu haben. Das Allerschwierigste, die Halle der Gibichungen in der Götterdämmerung,ist, nach vielen gänzlichen Umarbeitungen, jetzt wohl auch so weit gediehen,dass sie als phantastisches Muster der Hofhalle eine[s] alt-germanischenGeschlechts-Königs gelten dürfte. Schliesslich muss ich im Betreff dieserSkizzen jedoch wiederum darauf hinweisen, dass jede derselben in der Ausführungnoch Modifikationen erleidet, durch welche ich hoffen darf, auch dieZufriedenheit meines erhabenen Herren damit vollständiger zu gewinnen. -
In Bezug auf die dreimaligeVorführung meines vollständigen Werkes vor meinem erhabenen Beschützer undWohlthäter allein war gewiss nur dieser hochbeglückende Wunsch auszusprechen,um als heiliger Befehl ausgeführt zu werden. Die Strophe Brünnhilde's soll vonmir in Musik gesetzt, und von der Sängerin in diesen Vorstellungen eingefügtwerden: mein huldreichster Freund wird hier zu entscheiden haben! - Die Zeitdieser drei Vorführungen für [3] Eure Majestät allein erlaube ich mir sofestzustellen, dass ich sie von Mitte Juli bis erste Woche August 1876 ansetze.Diess wird nämlich die Periode der Gesammtproben für sämmtliche vier Hauptwerkesein, welche dann nicht mehr einzeln, sondern regelmässig auf einander folgendzur Uebung gebracht werden sollen.
Ich gedenke nämlich - sobald mirGott das Leben lässt und unter den fortgesetzten Aergernissen, denen ich hierumausgesetzt bin, mich bei rüstigem Muthe erhält - meinen, Ihnen bereitsmitgetheilten Ausführungsplan auch der Zeit nach unverrückt festzuhalten unddurchzuführen. Stünden mir hierfür stets die nöthigen Geldmittel zu Gebote, sowürde ich jeder Mühe lachen; aber, dass ich immer noch mich angespannt sehe,erst diese stets wieder herbeizuschaffen, und zwar durch Bemühungen, wie ichihnen nicht mehr ausgesetzt zu sein glaubte, diess macht mich wohl oft tiefmismuthig. Doch, Geduld! Auch diess will ich überwinden; nur einigesVerständniss meiner Lage wünschte ich hierfür bei solchen, die andererseits mirgünstig gesinnt sind. So habe ich jetzt, nachdem ich das Geld für die nöthigenTerrainarbeiten mir in Wien und Pest gewonnen, wiederum nur für dieExtra-Proben zu sorgen, ohne welche ich, wenn ich diesen Sommer sie nichtermögliche, für die Ausführung im nächsten Jahre nicht stehen kann. So muss ichdenn nun wieder nach Berlin, um durch Aufführung meiner drei Bruchstücke (!)wenigstens einen Theil der Entschädigungsgelder zu erwerben, welche ich diesenSommer an Sänger und Musiker bezahlen soll, wobei ich leider die Erfahrungmache, dass die Herren Musiker sich bei weitem weniger aufopferungsvollbenehmen, als meine Sänger, was mir viel [4] Sorge macht. - Zudem habe ich inder letzten Zeit nun auch die Ueberzeugung gewinnen müssen, dass der jungeMann5, welcher sich mir für die Rolle des Siegfried erboten hatte, zurDurchführung dieser Aufgabe [als] durchaus unfähig sich bewährt. Um einen Ersatzhierfür aufzusuchen, will ich nun junge Künstler, die man mir als geeignetempfohlen hat, in Prüfung nehmen, und werde jetzt zu diesem Zweck wieder eineReise antreten, die mich zunächst nach Hannover und Braunschweig führt. - ImBetreff der Nielson habe ich leider zu berichten, dass die auf sie gesetzteHoffnung zunächst hierdurch erlosch, dass ihr Mann Franzose ist und erklärthat, seine Frau würde nie wieder in Paris auftreten können, wenn sie inBayreuth gesungen hätte. Dazu erfuhr ich nun allerdings auch, dass sie, ihremganzen Genre nach, weniger für mich, als für Gounod (etwa zu dessen Margarethe)geeignet sei, höchstens [die] E[l]sa, gewiss nie aber die Sieglinde sichangeeignet haben würde. Um nun endlich für die Besetzung auch dieser RolleAlles gethan zu haben, beschloss ich daher auch Frau Vogl, welche man mir vonvielen Seiten doch als sehr beachtungswerth bezeichnet hat, in einer ihrerguten Rollen kennen zu lernen. Ich hatte - rein zu diesem Zwecke - um eineAufführung des Tristan in München gebeten; [ich] konnte hierzu aber noch nichtgelangen, nehme mir aber vor, bei einer günstigen Gelegenheit, welche mir dasRepertoir bieten könnte, meinen Zweck zu erreichen.
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486.2. Richard Wagner, Bayreuth an Ludwig II., München – 06. April 1875
06 April 1875
Somit sehen Sie, theuerster Erhabener, mich immer wieder in all den Wirrenund Nöthen begriffen, welche so viele Ruhe der mir vergönnten Lebensjahrebereits aufgezehrt haben! Wie sehne ich mich dagegen nach einer Wiederaufnahmerein künstlerischer Produktion! Diese ist mir wohl noch lange nicht gegönnt:denn was jeder Künstler jeder Nation vorfand, das Material für die Bildungenseines Genie's, das habe ich in Mitten dieser tief verwahrlosten deutschenNation erst aus dem Gröbsten herauszuarbeiten: wo wäre ich, hätte es nicht zwei- drei Menschenseelen gegeben, die meine Noth begriffen und thätig sich fürmich bemühten! Denn nicht nur für die Beschaffung meines Kunstmateriales habeich zu kämpfen; ich habe auch den Stumpfsinn meiner neuen Mitbürger aufzurütteln,ja - vielleicht selbst dafür Hand anzulegen, den Besuchern meiner Festspielenur ein erträgliches Unterkommen in Bayreuth zu sichern. An mich wendet mansich ja selbst, um bei Eurer Majestät für Ertheilung eines Befehles im Betreffder Eisenbahnverbindung von Nürnberg mit Bayreuth Fürbitte zu thun; allerdingsbeklagen sich alle Besucher des Ortes über die schlechte Verbindung desselben;die neue Bahn sei längst decretirt, nur fange man den Bau nicht rechtzeitig daan, wo dessen Vollendung im Sommer nächsten Jahres uns von unermesslichemVortheil sein könne: man meint, ein Wink von Eurer Majestät werde diesserwirken; diesen zu erbitten sei meine Sache! Ich glaube, ich werde auchhierfür noch Konzerte geben müssen! -
Dass ich Ihnen, grossmüthigsterFreund, diess Alles klage, hat, nach allen Beweisen Ihrer grenzenlosen Güte fürmich, doch wohl nur den Grund, dass ich gerade gegen Sie ganz offen sein kann,während ich meine Sorgen und Nöthe [6] der Welt, und dem, was sie enthält,gegenüber aus Stolz so gern zurückhalte. Dann aber -, ich habe Sie, wie immerso auch jetzt, um Geduld mit Ihrem Schützlinge zu bitten, ja, - in dieser stetsmir erwiesenen Geduld Sie mir von Neuem zu bestärken. Diess meine demüthigeBitte! Das Werk - soll dann nicht fehlen, und Alles sei erfüllt!
In stets neu anbetender Demuthbegrüsst das erhabenste Wunder seines Lebens
Ihr
für ewig zugewiesenes EigenRichard Wagner
Bayreuth6 April 1875
Fußnoten
[1] Hier weilte Wagner vom 21. Februar bis 6. März und vom 12. bis 15. März1875, um in zwei großen Konzerten (1. und 14. März) Bruchstücke aus seinenneueren Werken aufzuführen. Die Reineinnahmen aus beiden Konzerten waren dazubestimmt, die Kosten der Bayreuther Vorproben des Sommers 1875 zu decken. (Vom6. bis 12. März hatte Wagner sich in Pest aufgehalten und daselbst - unterMitwirkung Liszts - am 10. März gleichfalls ein großes Orchesterkonzertgeleitet).
[2] Wagner hatte am 5. März von Wien aus Düfflipp mitgeteilt, daß er diegleichen Bruchstücke aus der »Götterdämmerung«, die er soeben dort aufgeführthatte, im Anschlusse an seine Wiener Konzertreise gerne auch seinem königlichenWohltäter in München zu Gehör brächte. Er hatte gehofft, bei dieser Gelegenheitden König endlich wieder persönlich begrüßen zu dürfen, was dann aberschließlich abermals unmöglich ward, da die geplante Privataudition nichtzustande kam.
[3] Wagner schrieb »an«.
[4] Im Original steht »viele«.
[5] Dr. Glatz! Vgl. vorne S. 42 unten / S. 43 oben.
[6] Wagner schrieb »Nöthen«.
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- 04 Juni
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303. Richard Wagner, Bayreuth an Prospère Sainton.
04 Juni 1875
Mein lieber Sainton,
Du hattest nicht nöthig, Dich mir in's Gedächtnis zurückzurufen. Ich habemeiner Frau mein ganzes Leben diktirt; sie wollte es gründlich kennen lernen.Das ist geschrieben und wird meinem Sohne vermacht werden, um es nach meinemTode erscheinen zu lassen. Und wie? Ihr bildet Euch ein, in diesem Leben nichtzu figuriren? Teufel! W 8 Hind Street. Und Lüders? Die ganze Geschichte vonEuch Beiden ist in diesem Manuskript niedergelegt, von Helsingfors bis Toulouse(über Hamburg) Und dann London? Karl der Große? Wo hast Du Deine Überlegung,mein Lieber?
Nun wohl! Erinnere Dich bald, daßnoch ein gewisser Orchesterdirigent der alten Philharmonie (pensionirt?) inBayreuth (in Bayern, nicht in Syrien!) lebt.
Nimm eines Tages Deine liebeFrau, lade Lüders auf Deine Schultern, besteige ein gutes Cab auf Stunden und komme zur rechten Zeit in Wahnfried an; um 1 Uhr diniren wir, Abendessen um 7Uhr Abends. Und jetzt, genug von den Lohengrins in London, das a-Costirt [1] mich. Aber wenn Du willst, bringe Deine Violine mit, und dann ... die Nibelungenwerden Euch Allen die Honneurs machen.
Viele herzliche Grüße von seitenDeines alten
Freundes
Richard Wagner.Bayreuth, 4. Juni 1875.
Fußnoten
[1] Ça m'a-Coste, vermutlich Wortspiel mit dem mehrerwähnten Coste statt çam'agace, das macht mich nervös.
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304. Richard Wagner, Bayreuth an Johannes Brahms.
06 Juni 1875
Geehrtester Herr Brahms!
Ich ersuche Sie, mein Manuskript der von mir umgearbeiteten zweiten Szenedes Tannhäuser [1]. dessen ich zu der Herausgabe einer Neubearbeitung derPartitur bedarf, mir zuzuschicken. Zwar ist mir berichtet worden, daß Sie,vermöge einer Schenkung durch Peter Cornelius an Sie, Eigenthumsansprüche andieses Manuscript erheben; doch glaube ich dieser Meldung keine Folge geben zudürfen, da Cornelius, dem ich dieses Manuscript eben nur gelassen, keineswegsgeschenkt hatte, unmöglich desselben sich an einen Dritten entäußern konnte,welches nie gethan zu haben er mir auf das theuerste versichert hat.
Vermuthlich ist es meinerseits sehr unnöthig, Sie an dieses Verhältniß zuerinnern, und es wird keinerlei weiterer Auseinandersetzung bedürfen, Sie zubestimmen, dieses Manuscript, welches Ihnen nur als Curiosität von Werth seinkann, während es meinem Sohn als theures Andenken verbleiben könnte, gern undfreundlich mir zurückzustellen.
Mit größter Hochachtung
Ihr ergebenster
Richard Wagner.Bayreuth, 6. Juni 1875.
Fußnoten
[1] Das Manuskript war in nachlässiger Weise von Cornelius behütet wordenund an Tausig gelangt, der es seinerseits Brahms schenkte. Frühere Bitten durchdem Meister nahestehende Persönlichkeiten waren bei Brahms erfolglos gewesen.
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305. Richard Wagner, Bayreuth an Johannes Brahms.
26 Juni 1875
Geehrtester Herr Brahms!
Ich danke Ihnen sehr für das soeben zurück erhaltene Manuscript, welchessich allerdings, da es seinerzeit in der Pariser Copie sehr übel hergerichtetwurde, durch äußere Anmuth nicht auszeichnet, mir aber - außer allenempfindsamen Gründen - deßwegen von Werth ist, weil es vollständiger ist als diedamals von Cornelius mit einem großen Strich versehene Abschrift.
Es thut mir nun leid, Ihnen stattder gewünschten Meistersinger-Partitur (welche mir, nach wiederholterNachlieferung von Schott, gänzlich wiederum ausgegangen ist) nichts Besseresals ein Exemplar der Partitur des Rheingold anbieten zu können; ohne IhreZustimmung zu erwarten, sende ich Ihnen dieses heute zu, weil es sich dadurchauszeichnet, daß es das Prachtexemplar ist, welches Schott seinerzeit auf derWiener Weltausstellung prangen ließ. Man hat mir manchmal sagen lassen, daßmeine Musiken Theaterdekorationen [1] seien: das Rheingold wird stark unterdiesem Vorwurf zu leiden haben. Indessen dürfte es vielleicht nichtuninteressant sein, im Verfolg der weiteren Partituren des Ringes desNibelungen wahrzunehmen, daß ich aus den hier aufgepflanzten Theatercoulissenallerhand musikalisch Thematisches zu bilden verstand. In diesem Sinne dürftevielleicht gerade das Rheingold [2] eine freundliche Beachtung bei Ihnen finden.
Hochachtungsvollst grüßt Sie Ihr
sehr ergebener und verpflichteterRichard Wagner.
Bayreuth, 26. Juni 1875.Fußnoten
[1] Anspielung auf eine Hanslische Kritik aus dem Jahre 1862.
[2] Die Widmung auf der Rheingold-Partitur lautet: »Herrn Johannes Brahmsals wohlkonditionierten Ersatz für ein garstiges Manuscript, Bayreuth, 27. Juni1875, Richard Wagner.«
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