Heimfahrt mit Siegfried, welcher alle Herzen erobert. Zur Unterhaltung: »Der Prinzenraub« von Triller [1], sehr ergötzlich, auch ein Heft der »deutschen« Rundschau [2]. – Um ein Uhr Wiedersehen mit R.!
Er erzählt mir, er habe nachts geträumt, wir seien zusammen in einem Tanzlokal gewesen, mein Tänzer habe sich Ungebührliches erlaubt, ich bleich vor Konsternation, er, auf eine Verabredung hin, fordert einen zweiten Tanz, höhnend gegen R., worauf dieser ihm einen Fußtritt versetzt, von welchem mein Federbett davonfliegt und R. erwacht. Abends das A moll Quartett von Beethoven und den ersten Satz von R.’s Lieblings-Fantasie.
Ich finde einen Brief von Mimi vor, sie will versuchen, aus dem Reichsfonds 25000 Th. zu verschaffen, die Herrliche! – R. sehr entzückt von Feustel, welcher verstünde, daß man nun vorwärts müsse. – »Ich glaube, ich werde am Schluß dieser Sache sehr alt sein«, sagt R. –
Üble Lage in Bayern – der König immer unsichtbarer; verkehrt, heißt es, nur noch mit seinem Reitknecht, welcher übrigens ein ordentlicher, kluger Mensch sein soll, sobald aber dieser von irgend etwas Ernstem, [von der] Stimmung im Lande, reden will, wird er fortgeschickt. Doch nützt jetzt dem König seine Unnahbarkeit; die Vorfälle in der Kammer, wo ein Mitglied der ultramontanen Partei die ungebührlichsten Dinge über den König [sagte], unter dem Vorwand, sie kämen in einer liberalen Zeitung vor, diese Vorfälle sind derart, daß kein König sich damit abgeben [kann] – die Liberalen entfernten sich, das Ministerium fordert seine Entlassung. R. sagt, nach dem Tode des Königs wünschte er, daß das Bayern von Napoleon’s Gnaden in seine Bestandteile aufgelöst, und zwar die Rheinpfalz an Baden, Franken an Württemberg, so daß die schwarzen Herrn bloß das Altbayern behielten. – Die Nachricht von der Verlobung der Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar mit dem Prinzen Reuß [3], deutscher Botschafter in Petersburg, wird mit Erstaunen vernommen.
[1] Deutsche Rundschau, wissenschaftlich-literarische Monatsschrift, 1874 von Julius Rodenberg in Berlin gegründet, Mitarbeiter u.a. Graf Moltke, Theodor Storm, Berthold Auerbach und Anastasius Grün.
➝ Deutsche Rundschau Oktober 1875
[2] Heinrich VII. Prinz R. (1825-1906) aus der Nebenlinie Reuß-Schleitz-Köstritz, Offizier, Diplomat, Gesandter Preußens in München 1864 und St. Petersburg 1867, dt. Botschafter bis 1876, 1878-94 in Wien, 1876 Mitglied des preuß. Herrenhauses.
[3] »Der Sächsische Prinzenraub«, 1743, von dem Wittenberger Arzt, Fabel- und Lustspieldichter Daniel Wilhelm T. (1695-1782).
