R. hat noch vielfache Bemerkungen zu machen, scenische Vorgänge (Beleuchtung etc.) zu untersuchen. – Er kehrt nachmittags sehr verstimmt heim, der Kostümier hatte ihm gesagt: Fürstin Hohenlohe habe geschickt, um zu fragen, ob das Kostüm der Venus nicht à la Offenbach sein würde; er bittet mich, der Fürstin darüber zu schreiben, was ich auch tue.
Um halb sieben Aufführung des Tannhäuser 1 [1], über alle Erwartung gut; nichts ist, wie R. es wirklich gedacht, doch herrscht in allem sehr viel Leben. R. muß sich des öfteren von der Loge aus bedanken, am Schluß erscheint [er] auf der Bühne mit den Sängern, eine für mich peinlichste Empfindung.
Fußnoten
1 Dem Heft beigelegt die (undatierte) Abendkritik der Wiener Presse über die Tannhäuser-Aufführung, s. Anm.
[1] die beigelegte Kritik lautet: »(Hofoperntheater.) In so festlicher Weise ist Richard Wagner’s ‚Tannhäuser‘ wohl schwerlich in Wien aufgeführt worden, wie heute Abends. Die Anwesenheit des Tondichters übte eine begeisternde Einwirkung nicht allein auf die an der Vorstellung betheiligten Sänger und Musiker, sondern auch auf das Publicum selbst. Die Aufführung war im höchsten Maße beseelt und ungewöhnlich correct; in jedem Detail, in jedem Zug verrieth sich das energisch eingreifende Walten des Meisters; außerdem fesselte sie das Interesse noch in ganz besonderer Weise dadurch, daß ihr die bisher hier noch unbekannte Bearbeitung für Paris mit einigen Modifikationen zu Grunde gelegt worden war. Darüber werden wir übrigens demnächst noch ausführlicher sprechen. Für heute constatiren wir einen förmlichen Triumph, den Wagner, die mitwirkenden Kräfte und in ganz hervorragender Weise und verdientermaßen Herr Capellmeister Hans Richter feierten. Wir können nur allen Mitwirkenden, Chor und Orchester mit inbegriffen, unsere zurückhaltsloseste Anerkennung zollen. Namentlich aber hat uns Frau Ehnn als Elisabeth in angenehmster Weise überrascht, da ihre diesmalige Auffassung und Durchführung der Elisabeth ihren frühern Versuch in dieser Rolle weit in den Schatten rückte. Bei jedem Momente, der nur einigermaßen dazu aufforderte, stellte sich rauschender Beifall ein, mit welchem aber auch die anderen Mitwirkenden, nämlich Frau Materna, Fräulein Siegstädt und die Herren Labatt, Scaria und Bignio ec. aufs Reichlichste bedacht wurden. Wenn schon die Mitwirkenden sich so besonderer Gunstbezeugungen erfreuten, so gestaltete sich der Abend für Richard Wagner geradezu zu einer glänzenden Ovation. Er wurde nach jedem Acte stürmisch gerufen. Während der ersten Zwischenacte trat er jedesmal an die Brüstung der Loge, in welcher auch Frau Cosima Wagner und Gräfin Dönhoff sich befanden und verneigte sich dankend gegen das jubelnde und Tücher schwenkende Publicum. Nach dem Schlusse der Oper erschien er jedoch mit den Solisten auf der Bühne, wohin ihm auch ein Kranz zugeworfen wurde, und da der Beifall nicht enden wollte, so richtete er an das Publicum beiläufig folgende Worte: ‚Es sei etwa fünfzehn Jahre her, daß er zum erstenmal hier seinen »Lohengrin« gehört habe. Der warme Empfang, den er damals gefunden, werde ihm unvergeßlich bleiben. Heute scheine sich dasselbe wiederholen zu wollen. Der Beifall, den man diesmal den Künstlern gespendet, ermuthige ihn, mit der Vorführung seiner Werke fortzufahren, so weit es die Kräfte erlaubten und er hoffe, daß jene dadurch dem Publicum noch deutlicher vor Augen treten werden, als bisher. Und in diesem Sinne danke er nochmal für die ihm gewordene schöne Ermuthigung.‘ E.S.«
