Ich verlasse das Bett, wo ich nicht schlafen kann, um Ihnen zu sagen, wie mich Ihr letzter Brief dünkt. Dieser ist elend, elend! - 

Richard Wagner, Bayreuth an Hans Richter, Wien – Bayreuth, Dienstag, 24./25. August 1875

Sie Unglücklicher bringen es über das Herz mir zu sagen: Sie seien gewiss, „meine Frau habe Sie von je gehasst“? Das bringen Sie über das Herz? – Verliebt mag man in Sie sein, – geliebt hat Sie meine Frau, und zwar wie ihren Sohn! – Sie Unglücklicher! – Alles, was sie über Sie gesagt hat, oder was man Ihnen davon gesagt hat, das habe ich gesagt, und nur mir hat sie es nachgesagt. Was ich über Sie gesagt habe, und zwar in Stunden des Unmutes über Sie, das erbot ich mich von Berlin (im April) aus Ihnen selbst mündlich zu sagen. Dem wichen Sie aus (im Mai) in Wien; als ich bei Ihrer letzten Ankunft in Bayreuth im Zuge war, es Ihnen zu sagen, wurden wir unterbrochen: und – seitdem wichen Sie mir wiederum vollständig aus, vermieden mein Haus; was dagegen im Bierhaus (in welchem Sie schliesslich Niemann’s Genosse wurden) ausgelassen wurde, das erfuhren wir nun durch Schmachberichte in den Zeitun-gen. Thr ganzer Brief ist der Beweis dafür, aus welcher Gesellschaft diese Niederträchtigkeiten ausgingen. Also – da man mir immer schwerer zu Leibe kann – ist es meine Frau, auf die man sich stürzt, vermutlich weil sie von jeher die Einzige war, die versöhnend wirkte, aber auch Lästiges mir sorgsam ferne hielt? Wohin sind Sie gekommen?? Also: „das hat man gesagt“ – und „das hat man mir wieder gesagt“ – und über solche Elendigkeiten mir in das Antlitz eine Frau zu schmähen, die das Einzige besitzt, was Euch Allen abhanden ist – Wahrhaftigkeit!

Ich wollte Ihnen erst ruhig schreiben, und zwar als „Meister“, als den Sie mich doch noch anreden. Ich hätte Ihnen als solcher Vieles, Vieles zu sagen, Vieles auch, was das „Verderben“ betrifft, dem Sie, Ihrer Meinung nach, meine Frau zuzuführen beschlossen haben soll. Sie haben aber weder Vernunft noch freien Willen, um zu ver-stehen, was ich Ihnen sagen würde. So gehen Sie denn in dem Ihnen beigebrachten albernen Wahne dahin, wohin Sie getrieben werden!

Ich habe keine Worte mehr an einen Unsinnigen zu verschwenden!

– Nun sagen Sie Herrn Direktor Jauner, dass ich nicht nach Wien komme, und zwar weil ich nicht mehr – zu Ihrem Verderben beitragen will.

Gott befohlen!

R. Wagner.

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