Geehrtester Herr Mazière!

Richard Wagner an A.L. Mazière, Mainz – Montag, 15. Februar 1875

Was ich im Verkehr mit dem seligen Herrn Schott wiederholt erfahren habe, erfahre ich auch jetzt wieder. Ein halbes Benehmen wird mir angerechnet wie ein ganzes, obwohl der Unterschied hiervon bedeutend ist. Genügend habe ich Ihnen auseinandergesetzt, daß bei den Preisen, welche mir jetzt für meine Compositionen geboten werden, ich jeden Augenblick die mir nöthigen Vorschüsse erhalten haben würde, wenn ich gegenwärtig freie Zeit hätte und diese ausschließlich auf meine Arbeiten verwenden könnte. Ich habe der Firma Schott den Vorzug gegeben, nicht weil Sie mir bedeutende Zugeständnisse im Betreff der Honorirung meiner Arbeiten gemacht hätte, sondern weil ich auf die Zeit rechnete, und gerade die Erfahrung der Firma Schott mir zum Zeugniß dienen durfte, daß ich, sobald man mir Zeit läßt, meine Verpflichtungen zu lösen gewohnt bin.

Um in diesem gewohnten Verhältnisse fortzufahren, unterzeichnete ich den letzten Vertrag für fl. 5000, weil Sie mir brieflich versprachen, bis Ostern abermals fl. 5000 nachzuzahlen, und ich zu finden hatte, daß ich auf die Auszahlung der zweiten Hälfte der ursprünglich von mir ausbedungenen Summe so lange warten können würde. Jetzt, da ich nichts weiter thue, als Sie um die Erfüllung dieses Versprechens anzugehen, knüpfen Sie neue Bedingungen hieran, die mir durchaus widerwärtig sind. Ich will die Herren Voltz und Batz nicht weiter, als dies bereits geschehen ist, in meine Angelegenheiten einmischen, und würde außerdem, wenn Sie dies plötzlich nöthig finden sollten, zu anderen Garantien für Sie greifen können. Aber wozu auf einmal diese? Wenn ich ernstlich will, kaufe ich Ihnen meinen ganzen Contract auf einmal ab. Es fragt sich blos, ob das von mir zuletzt mit bestem Willen und gutem Herzen angesehene und gepflegte Verhältniß zur Firma Schott im guten und freundlichen Sinne fortbestehen soll. Weshalb ich Sie nochmals darum angehe, die im Begleit unseres letzten Vertrages von Ihnen mir versprochene Supplementarzahlung von fl. 5000 durch einen Wechsel auf ersten Mai – wie ursprünglich beschlossen – zu bitten; den von Ihnen gewünschten Revers bin ich ebenfalls erbötig, Ihnen auszustellen, und habe hierbei meine guten Gründe anzunehmen, daß ich in 3 Jahren, wenn der Fall eintrete, Ihnen meine Schuld zurückzahlen können würde, wozu ich – unter Umständen, und wenn es

Ihnen daran gelegen wäre, schon jetzt zu schreiten vermöchte. Nur lassen Sie mir Herrn Voltz u. Batz aus! –

Ich nehme an, daß dieser Brief Mittwoch522 in Ihren Händen ist, und ersuche Sie bis Mittwoch Abend mir telegraphirt anzuzeigen, ob ich sofort der Erfüllung meines hiermit bezeichneten Wunsches entgegensehen kann. Am Sonnabend523 habe ich zu verreisen und muß meine Angelegenheit zuvor geordnet wissen. Müssen Sie für die Firma Schott es als vortheilhaft ansehen, mich selbst Mittwoch Abend noch ohne die gewünschte Auskunft zu lassen, so bin ich genöthigt, mir zu helfen, wie ich es unter solchen Umständen für gut halten werde.

Es thut mir leid, annehmen zu müssen, Sie hätten geglaubt, daß ich mit meiner Erinnerung an Ihr Versprechen mir ein Spiel gemacht hätte: dies war mir unerläßlich, da ich andererseits in einer Unternehmung begriffen bin, die von mir bis jetzt nur die außerordentlichsten Opfer erheischt, – wie ich denn überhaupt gewohnt bin, ganz und nicht halb zu sein.

Mit größter Hochachtung
ergebenst
Richard Wagner.

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