Geehrtester Herr und Freund!

Richard Wagner, Bayreuth an Hermann Levi, München – Dienstag, 8. Juni 1875

Lassen Sie sich in der, mir jetzt einzig möglichen Kürze sagen, daß ich unter keinen Umständen Ihnen einen Vorwurf machte, und namentlich den Grund und die Veranlassung zu Ihrem Verhalten in dieser Angelegenheit sehr wohl respektire. Nur wünsche ich nicht, daß mein braver Schlosser seine überschwängliche Enthaltsamkeit auf Kosten des königlichen Cabinets im Besonderen ausühe. Meine Unternehmung fußt auf dem ökonomischen Grundsatze: Kein Kreutzer Gewinn (oder Honorar) dagegen die notwendige Entschädigung von Reise und Aufenthalt für Solche, welche aus eigenen Mitteln hierfür nicht ausreichen. In dringenden Fällen wird sogar reichliche Entschädigung dadurch ermöglicht, daß viele der besser gestellten Künstler gar keine Entschädigung verlangen. In diesem Sinne habe ich Schlosser geschrieben.

Nun aber noch eine Bitte:

Können Sie mir einige ausgezeichnete Chorsänger zuweisen? Ich habe besonders noch tüchtige Tenöre nöthig (für die Männerscenen der Götterdämmerung) Haupterfordernis: hohe, schlanke Gestalt, gute Haltung und Bewegung; somit weniger Choristen (etwa aus dem Kirchenchor!) als junge Anfänger für Oper, und Schauspieler mit genügender Musik und guter Stimme. (Besonders Sprache.) Ihre Entschädigungs- Bedingungen werden die gleichen wie für die Orchestermitglieder sein.

Nun aber: ich muß Ihren Contrabaß-Tubisten haben. Er soll sehr gut sein, auch schon mein Instrument geblasen haben. Ich würde Sie mit leichtem Herzen ersuchen, diese und die zuvor bezeichnete Acquisition nur zu vermitteln, wenn ich nicht der Fest- und Musteraufführungen gedenken müßte, welche Herr von Perfall gerade vom Monat August an für München ankündigt.

Für dieses Jahr wären allerdings die Herren vom 15. August an wieder von mir entlassen, und somit geht die Sache doch wohl zu vermitteln?

Mir ist nicht möglich, die Familie Vogl jetzt in Weimar zu hören. Einstweilen habe ich in Frl. Weckerlin, welche ja nächstens bei Ihnen singen wird, eine wirklich gute, mit manchem Vorzüglichen ausgestattete Sängerin von schöner Gestalt, Intelligenz, und gefühlvoller, jungfräulicher, leider aber nicht sehr kräftiger Stimme kennen gelernt und gern in Aussicht genommen. Ich höre, sie will in München als »Norma« auftreten. Sehr thöricht!

Nehmen Sie vorlieb mit diesen schlechten Zeilen und bleiben Sie geneigt Ihrem

sehr ergebenen
Rich. Wagner.

    Bayreuth, 8. Juni 1875.

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