1873: Die Widmung der 3. Symphonie (WAB 103)

Im August 1873 begibt sich Anton Bruckner zur Kur nach Marienbad, um sich von den Strapazen der vergangenen Jahre zu erholen. Zu dieser Zeit grassiert in Wien eine Cholera Epidemie. Er wohnt im Weißen Rössl (das Haus wurde abgerissen und befand sich gegenüber dem Hotel Excelsior) und finalisiert am 31. August 1873 seine 3. Symphonie in Skizze während dieses Aufenthaltes.

Ermutigt durch seine Leistung und durch den verhältnismäßig kurzen Weg von Marienbad nach Bayreuth, entschließt sich Bruckner Wagner zu telegraphieren und um ein Treffen zu bitten, denn er hegt den Wunsch Richard Wagner eine Symphonie zu widmen. Gemäß August Stradal lautet das Telegramm folgendermaßen: „Großer Meister, darf ich nach Bayreuth kommen?, wenn Ja, dann telegraphieren Sie mir nicht. Wenn ich aber nicht kommen darf, dann bitte ich Sie mir zu telegraphieren.“

Wagners Antwort bleibt aus uns so macht sich Bruckner auf den Weg nach Westen.

Es herrscht Einigkeit in den Quellen, dass Bruckner im „Goldenen Anker“ Quartier nahm. Uneinigkeit besteht über den genauen Tag des Treffens zwischen Bruckner und Wagner. Bruckner selbst berichtet jedoch, dass Kronprinz Friedrich an diesem Tag in Bayreuth war. Cosima Wagner schreibt wiederum in Ihren Tagebüchern, dass am „Sonnabend 13ten“ der Kronprinz um 7.30h anreiste.

Da das sich im Bau befindliche Festspielhaus zu Ehren des Kronprinzen rot angeleuchtet wurde, dürfte es sich um 7.30h abends handeln. Dafür spricht auch, dass die Sonne am 13.09.1873 um 18.25h unterging, folglich eine Beleuchtung des Festspielhauses eindrucksvoll sichtbar gewesen sein muss. „Es ist mit unserem Blute gerötet!“ zitiert Cosima Richard Wagner in Anspielung auf die Nöte, die der Bau bereitete.

Der Kronprinz verlässt Bayreuth am 14. September, nachdem er „Kirche, Opernhaus, Schlösser;“ besucht hatte „unser Theater nicht, das einsam und fern von allem für sich steht, das Kreuz daran wir geheftet, der Tempel, worin wir beten.“ schreibt Cosima; Anton Bruckner erwähnt sie an keinem der beiden Tage.

Da Bruckner nach eigenen Angaben am Morgen in Bayreuth ankommt und – nachdem er Quartier im „Anker“ genommen hat – sogleich sich auf den Weg zu Wagner macht, muss es sich um den 14. gehandelt haben. Dafür spricht auch, dass Bruckner wohl ein rot erleuchtetes „Theater“, wie das Festspielhaus damals noch genannt wurde, in seinen Aufzeichnungen erwähnt hätte.

Nun beschreiben alle Quellen, auch Bruckner selbst, dass er Wagner in Wahnfried besucht hat, obwohl sich das Haus damals noch im Bau befand und die Familie Wagner in der Dammallee wohnte.

Bruckner erzählt, dass ihm von einem Diener geöffnet worden sei, der mitteilte, dass Wagner zu so früher Stunde niemanden empfange. Bruckner wartet im Hofgarten bis zur zehnten Vormittagsstunde und versucht es dann erneut.

Bruckner wird eingelassen und betritt Wahnfried, bei dessen Pracht ihm „ganz anders worn“ ist. Er legt Wagner seine 2. Symphonie in c-Moll und seine 3. Symphonie in d-Moll vor. Nach anfänglichem Zögern (Zeit-Mangel wg. des Theaterbaus), erklärt sich Wagner bereit beide Symphonien anzusehen.

Wagner findet die zweite Symphonie zu zahm, sein Interesse wird jedoch von der 3. Symphonie geweckt und er bittet Bruckner ihm das Werk zur eingehenden Besichtigung da zu lassen. Nun fasst Bruckner den Mut Wagner zu bitten ihm eines der Werke widmen zu dürfen. Wagner bittet Bruckner abends um 5h wieder zu erscheinen.

Bruckner begibt sich nun auf den Hügel, um das Fortschreiten des Baus des „Theaters“ zu begutachten. Dort fällt er, nach eigenen Angaben, rücklings in einen leeren Mörteltrog und bittet die Bauarbeiter ihn abzuputzen, damit er nicht schmutzig zum Meister käme.

Bruckner beschreibt nun selbst, dass ihm im Vorzimmer Wahnfrieds Cosima begegnet sei. Da Cosima zwei Mal täglich eine Sitzung bei dem Bildhauer Kietz hat, ist das durchaus plausibel. Der Bildhauer Kietz hatte am 8. September mit der Büste Cosimas begonnen. Sein Atelier befindet sich in dem unfertigen Haus. Kietz bezeichnet sich scherzhaft als „der erste Bewohner Wahnfrieds“.

Bruckner hört nun, wie Wagner „das Hauptthema des ersten Satzes der ´Dritten“ selbst spielt. Als Bruckner eintritt, kommt ihm Wagner mit ausgestreckter Hand entgegen und deutet mit der anderen auf einen Stoß mit Widmungsanfragen. „Sehen Sie, das sind lauter Widmungen. Ihr Werk aber ist ein Meisterstück und es ehrt und freut mich, daß Sie es mir zugedacht haben.“

Wagner sagt dem nun weinenden Bruckner die Widmung zu. Mehrere Quellen berichten, dass nun ein Bierfass (ob Weihenstephan oder Kulmbacher ist strittig) angefahren wird und Wagner Bruckner höchstselbst das Glas reicht. Bis ½ 8 Uhr abends dauert die Begegnung in der noch tüchtig die „Wiener Musikzuständ“ auseinandergenommen werden. Anschließend zeigt Wagner Bruckner sein Grab (am 08. August schreibt Cosima, dass die „Gruft“ vollendet sei) und Bruckner darf ihn in sein Haus begleiten (Dammallee).

Der Biergenuss so kurz nach seinem Aufenthalt in Marienbad, dürfte für Bruckner zu heftig gewesen sein und so kann er sich am nächsten Tag nicht mehr erinnern, welche Symphonie er Wagner nun widmen darf. Er schreibt auf dem Briefpapier des „Goldenen Anker“ folgende Notiz „Symphonie in Dmoll, wo die Trompete das Thema beginnt. A Bruckneremp.“ und lässt diese zu Wagner bringen. Wagner antwortet prompt und kurz auf demselben Papier: „Ja! Ja! Herzlichen Gruss! Richard Wagner“.

In der Silvesternacht 1873 vollendet Anton Bruckner seine Dritte Symphonie.

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