Bruckner als Symphoniker

von Mag. Dr. Klaus Petermayr, scientific director of Anton Bruckner Institut Linz

Bruckner hat insgesamt elf Symphonien komponiert: Die sogenannte „Studiensymphonie“ in f-Moll (WAB 99), die annullierte Symphonie in d-Moll (WAB 100) und die gegenwärtig unter den Nummern I bis IX bekannten Werke (WAB 101 bis 109). Bis auf die letzte in d-Moll (WAB 109) sind sie alle Symphonien vollständig, ja sogar in mehreren Fassungen erhalten. Klammert man das im Jahr 1863 verfasste Studienwerk aus, entstanden diese Werke in der zweiten Lebenshälfte des Komponisten (von 1865/66 bis 1894). Sie dominieren diese über alle anderen Gattungen und beanspruchten Bruckners schöpferisches Genie völlig. Vom Publikum wurden sie sowohl mit frenetischer Begeisterung als auch mit großer Skepsis aufgenommen. Nicht zu Unrecht gilt Bruckner neben Gustav Mahler als der letzte der großen Symphoniker.

Symphonie Nr. 2 c-Moll (WAB 102), 1. Fassung von 1872

Mit der Arbeit an Zweiten Symphonie begann Bruckner schon 1871, den größten Teil er Komposition vollendete er jedoch im Sommer 1872. In der frühen, ersten, Version der Symphonie folgt das Scherzo unmittelbar nach dem 1. Satz. Doch schon vor der ersten Aufführung, die am 26. Oktober 1873 in Wien im Rahmen der Schlussfeier zur Weltausstellung erfolgte, nahm Bruckner Kürzungen und Änderungen am Werk vor, die letztlich auch die Satzfolge betrafen. Weitere Änderungen wurden für die zweite Aufführung vorgenommen ehe er sie 1877 einer vollständigen Revision unterzog.

Mit seiner Zweiten fand Bruckner endgültig seinen sogenannten „Wiener Stil“. Sie ist von großer lyrischer Schönheit und wird oft „als von nie schwerfälliger Majestät“ charakterisiert. Der erste Satz (ziemlich schnell, Allegro) beginnt mit einem Thema, das, von Trompeten in einem unregelmäßigen Rhythmus beantwortet, das ganze Werk thematisch vorwegzunehmen scheint und im Finale wiederkehrt. In die Coda des ersten Satzes webt Bruckner ein beeindruckendes doppeltes Crescendo, einen zu dieser Zeit relativ häufig verwendeten Kunstgriff. Das Andante der Symphonie war von Bruckner ursprünglich vierteilig konzipiert (A-B-A-B), wurde jedoch schon während seiner Arbeit am Finale des Werkes um einen fünften Teil (A‘) ergänzt. Am letzten Satz (Mehr schnell) besonders bemerkenswert ist die Durchführung, die in ein gewaltiges, die Reprise einleitendes Crescendo mündet.

Die erste Aufführung der Zweiten Symphonie wurde vom Publikum durchaus mit wohlwollend Kritiken bedacht.

Symphonie Nr. 3 d-Moll (WAB 103), 1. Fassung von 1873

Die Entstehungsgeschichte der ersten Fassung seiner Dritten Symphonie liegt vielfach im Dunkeln bzw. ist nur anhand anekdotischer Berichte überliefert. So gut wie gesichert ist, dass Bruckner bereits im Herbst 1872 Ideen zum zweiten Satz hatte. Seine Arbeitsweise war komplex und aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar. Vollständig ausgearbeitet lag die Komposition am 31. Dezember 1873 vor. Am 9. Mai des Folgejahres widmete er das Werk seinem großen Vorbild Richard Wagner. Von den Wiener Philharmoniker unter Otto Dessoff mehrmals abgelehnt, begann Bruckner mit tiefgreifenden Umarbeitungen (1876). In dieser zweiten, stark gekürzten Fassung gelangte die Symphonie im Wiener Musikvereinssaal am 16. Dezember 1877 unter dem Dirigat des Komponisten zur Uraufführung. Der Misserfolg dieser Aufführung war vorprogrammiert…

Der erste Satz (Gemäßigt, misterioso) beginnt mit einem thematischen Gedanken – einer achttaktigen, in sich geschlossenen Fanfare der Trompeten – die den Hörer neben einem zweiten Thema den ganzen Satz lang immer wieder begleitet. Im zweiten Satz (Adagio. Feierlich) wechseln sich drei Themengruppen in freier Reihung ab, während im Scherzo (dritter Satz, Ziemlich schnell) ein ostinates Figurationsband mit zwei Themen verbunden ist. Der Satz, dem konventionelle Kadenzen fehlen, besticht u.a. durch seine kühnen Harmoniefolgen. Ähnlich wie in seiner Zweiten Symphonie greift Bruckner im Finale (Allegro) auf die Fanfarenmotivik des ersten Satzes zurück. Das Finale gehört aufgrund der Kombination von quasi Streicher/“Polka“- und Bläser/“Choral“-Gegenüberstellung zu den bekanntesten Schöpfungen des Ansfeldner Meisters.

Symphonie Nr. 7 E-Dur (WAB 107)

Bereits kurz nachdem Bruckner seine Sechste Symphonie (WAB 106) vollendet hatte begann er mit der Komposition eines neuen Werkes (23. September 1881). Mit kleinen Unterbrechungen schritten die Arbeiten relativ zügig voran, so dass das Werk am 5. September 1883 fertig vorlag. Die Uraufführung fand am 30. Dezember 1884 im Neuen Theater Leipzig unter Arthur Nikitsch statt und wurde ein triumphaler Erfolg für den Komponisten. Diesem Umstand ist es wohl auch zu verdanken, dass die Siebte Symphonie bis heute zu den populärsten Werken Bruckners zählt. Sie gilt allgemein als die „ausgewogenste“ all seiner Symphonien. An ihr nahm der Komponist, im Gegensatz zu so vielen anderen Werken aus seiner Feder, keine gravierenden Änderungen vor.

Für ihn ungewöhnlich verfährt er schon in der Konzeption des ersten Satzes (Allegro moderato), indem er das Hauptthema scheinbar unendlich fortspinnt, um so die Anlage und Melodiosität des ganzen Satzes zu dominieren. Berühmt geworden ist vor allem aber das Adagio, der zweite Satz. Gleich zu Beginn (Thema 1) verwendet Bruckner hier erstmalig in seinem Schaffen die sogenannten „Wagner-Tuben“ und im zweiten Thema des Satzes greift er auf Motive aus dem nahezu parallel entstandenen Te Deum (WAB 45) zurück. Der Schlussteil des Adagios entstand im Gedenken an Richard Wagner, der zu eben jener Zeit verstarb. Das Finale der Siebten ist ebenso beeindruckend angelegt, wie alle anderen Sätze. Es umspannt im Prinzip alle die ganze Symphonie und legt einmal mehr Zeugniss von der großen Genialität ihres Schöpfers ab.

Weiterführende Literatur:

  • Anton Bruckner. Ein Handbuch. Hg. Uwe Harten. Salzburg 1996.
  • Die Sinfonien Bruckners. Entstehung, Deutung, Wirkung. Hg. Renate Ulm. München 1998.
  • Brucknerhandbuch. Hg. Hans-Joachim Hinrichsen. Stuttgart 2010.
  • Hans-Joachim Hinrichsen: Bruckners Sinfonie. Ein musikalischer Werkführer. München 2016.

Anton Bruckner Institut Linz, 2016

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