Dienstag, 22. März

Auf dem Meer

Donnerwetter, heute ist ein Tag! Heute hatten wir eigentlich zum ersten Male zu bestätigen, ob wir gute oder schlechte Segler seien. Wir entschieden uns natürlich zu dem letzteren und wir veranstalteten eine wahre Orgie der Seekrankheit, und Morgen bis Abend. Auf das Deck gingen wir morgens garnicht, da es heftig stürmte;

so legten wir uns denn auf die Bänke im Salon, jeder that, als lese er ein Buch, sang auch wohl dazwischen bisschen aus der Cavalleria, um den anderen nichts merken zu lassen, wie gotteserbärmlich es ihm zu Muthe war, dann, unter dem Vorwande, ein anderes Buch holen zu wollen, wankte einer, dann der andere in die Cabine, hieb die Thüre hinter sich mit wahrem Fanatismus zu und brachte ergeben sein Opfer Neptun und den Kabinen dar. 

Diese Wankungen hinein wiederholten sich aber so oft, dass es unvermeindlich kommen musste, dass wir uns einmal gegenseitig ertappten. Wer sollte nun zuerst es eingestehen? Clement that es kurz vor dem Luncheon! Befreit athmete unsre Seele auf u. nun ging das Geschäft um so flotter. Unsere Mägen waren so erbärmlich ausgehöhlt, dass wir Wasser trinken mussten, um dem unersättlichen Gott wenigstens etwas darbringen zu können. 

Zum Luncheon kamen wir nicht, wir legten uns etwas nieder, doch auf den Rath des Kapitäns gingen wir auf das Deck. Nun, ich muss gestehen, wir hatten vollständiges Recht, uns so aufzuführen. Denn das Meer führte sich noch ganz anders auf; es wogte und brauste, überstürzte sich, schlug über das Deck, dass an tropfnass wurde, kurz es war recht wüst. Oben ging es uns etwas besser durch den fast betäubenden Wind, gegen den wir kämpfen mussten. Wir setzten uns in das Chart-room, da man da noch am wenigsten die Schwankungen des Schiffs merkte, und suchten etwas zu schlafen.

Der Abend kam allmählich heran, der Wind hatte sich von Osten nach Süd-Süd-Osten gewendet mit tüchtigem regen und colossalen Wellen, die jetzt also von der Seite kommend, das Schiff noch tüchtiger schaukeln liess, so dass rechts u. links die Wellen bald ein-, bald hinausstürzten. Und als es vollständig dunkel war, glitzerte das ganze Deck von den phosphorescierenden Thierchen, die auf den Wellen sitzen u. durch die Berührung mit einem Gegenstande aufleuchten. 

Wir standen bis gegen ½ 10 uhr oben auf der Capitänsbrücke uns fest anhaltend u. bald das rechte bald as linke Knie einbeugend, um sicher zu stehen. Der Anblick ist unglaublich grossartig; besonders wenn eine mächtige Welle, von vorn kommend, sich am Kiele bricht u. der Gischt bis zu der Spitze der Maste hinanspritzt, roth u. grün, unheimlich beleuchtet durch 2 vorn angebrachte Lichter. – Da geht einem der „Holländer“ im Kopf herum u. andere Stürme, Walküren etc., nur nicht der Tonleiter-Sturm aus der Iphigenie in Tauris. – 
Und damit der Effect vollständig sei, kommt von fern noch ein Schiff, auch schwankend und schnaubend. Jetzt war man ganz auf der Höhe eines Seesturms u. trotz unsrer leeren Mägen waren wir doch sehr froh über diese grossartigen Vorgänge. 

Von Blitzen erhellt fanden wir mühsam unsren Weg in die Cabine, assen etwas kalten huhn u. tranken eine halbe Flasche Champagner, erbrachen uns und legten uns zu Bett, erschöpft, müde, ohne schlafen zu können, doch ohne weitere Neptun-Opfer. Das Meer beruhigte sich gegen 1 Uhr nachts.

Dieser Inhalt kann nicht kopiert werden.