Donnerstag 2ten (2. April 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Grün-Donnerstag. R. fühlt sich unwohl, und wir sind beide sehr durch unseres alten Rus‘ Krankheit betrübt, das große arme Tier stöhnt jämmerlich, der Tierarzt erklärt es für Rheumatismus. – Arbeit im Haus Vor- und Nachmittag; R. mußte wiederum vor Gericht des Prager Theaterdirektors wegen, heimkehrend sagt er mir: „Dieser Unsinn von diesen Leuten, was eine Hilfe für Bauern ist, das wenden sie bei mir an, diktieren mir, was ich zu sagen habe!“ – Ein Schullehrer Kantor aus Soest, schickt 80 Thaler, der Erfolg eines Konzerts für Bayreuth – sehr rührend. –

Abends begibt sich R. in das Kränzchen, nur um, wie er sagt, den Heimgang zu haben, da er sich leidend fühlt, förmlich erstickt. – Er sagt mir, wie er heute nach dem Garten gegangen sei, habe er sich gezwungen langsam zu gehen, plötzlich sei der Krampf gewichen, und er habe eingesehen, wie wohltätig es ihm sein würde, wenn er sich nur etwas ruhiger in allem verhalten könnte. (Bei Tisch die Erbsensünde Erbsenpurée). Was wäre mir Haus und Garten, darauf ich mich so freue, ohne Familie“, ruft er aus; „ich weiß, wie gleichgültig mir dies alles ward in München; wie dumm nur, daß ich das bemerke!“ Während er im Kränzchen ist, lese ich Lusch in den „Piccolominis“ weiter vor, die ich Sonntag mir ihr begonnen.

Heimkehrend erzählt er von den üblen geschäftlichen Aussichten, die Feustel mitgeteilt; von Bismarck sprechend, sagt R.: „Er führt noch gar nicht den geringschätzigen Ton, der ich gehörte diesen Parlamentseseln gegenüber.“ – R. nahm viel Ärgernis heute daran, daß die Juden hier in geputzten Kleidern auf den Straßen umhergehen, weil es ihr Osterfest ist: „Ich werde mir noch einmal das Maul daran verbrennen, wenn ich einmal Stadtverordneter bin; das Volksgefühl so zu kränken, an unseren Trauertagen sic fröhlich geputzt zu zeigen. Das ist Lessing’sches Überbleibsel, alle Religionen sind gut, noch dazu der stupide Mahometismus.“ – 

Wir kommen in unserem Gespräch wieder auf den schädlichen Einfluß zurück, welchen Euripides auf die moderne Dichtkunst gehabt bis auf Schiller und Goethe, und kommen dabei auf den gekrönten Goethe, als Orest, das Bild von Picht, R. sagt: „Solch ein Bild, wenn Pecht es mir geben wollte, nehme ich gern an.“ Über Goethe’s Spiel: „Gewiß war es ungelenk, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich irgend eine Rolle spielen könnte, mich hinstellen und beklatschen lassen. Unmöglich.“ –

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