Mittwoch 14ter (14. Januar 1874)

Immer größerer Tau, doch geht es in das Haus, allerlei Pflanzungen mit dem Gärtner besprochen, dann mit dem Maler Maurer die ganze Dekoration wieder vorgenommen. R. treffe ich immer bei der Korrektur an. – Er erzählt mir, er habe darüber nachgedacht, ob er das Idyll würde für großes Orchester machen, aber es würde sich nicht so gut machen; ich sage ihm, daß es mir schrecklich wäre, dieses Werk der Öffentlichkeit hingeliefert zu sehen. 

Viele Freude über Fidi, der heiter, gesund, witzig und liebevoll sich uns zeigt.

Mit R. zusammen nach dem Hause, wir sprechen von Männern, Frauen, Liebe, ich sage ihm, er sei der einzige Mann, der Liebe eines Weibes verdiene, er sei treu und zart, er glaube an die Liebe. R. antwortet: „Den meisten Männern fehlt die Sammlung. Dadurch sind sie zynisch.“ 

Abends in den Upanishads; ich glaube, wer die Schopenhauer’sche Philosophie nicht durchgemacht hat, kann diese Geheimnisse nicht verstehen, und ich begreife, daß Schwager Brockhaus von „irgendeinem verrückten Brahmanen, der dies geschrieben“ – sprach. 

Das Heil und das Vergnügen, als entgegengesetzt, schlägt blitzesatig in den Sinn ein. Die Sammlung des Herzens, als Erfordernis zu der Erlangung des Geistes. Den Tod des Todes erlangt, wer hier eine Verschiedenheit seiht. Der Tod schuf das Bewußtsein, weil der wünschte: ich möchte geistesbegabt sein. (Erschaffung des ersten göttlichen Wesens – es teilt sich in zwei – Entfaltung der Welt durch Name und Gestalt.) – 

Das Gesetz, welches über dem König steht, durch ihn* beherrscht der Schwache den Stärkeren. Unvergänglichkeit der Nahrung, wundervolles Kapitel, der Sohn als Sühner

Ich kann hier nicht bemerken, was mich alles da fesselt, namentlich durch R. mir gedeutet. Wir sprechen von der göttlichen Weisheit dieser Menschen, welche, um etwas auszudrücken, das nicht ausdrückbar eigentlich ist, wie z.B. über dem Herz ist die Vernunft – nun ist ohne ungestümes Herz auch die rechte Vernunft nicht hervorzubringen, das ungestüme Herz allein aber vom Übel – daher alle die Abstufungen, die Atma, den Purusha, die endlosen Gliederungen [schufen]; und ihrer Weisheit ist es wirklich dadurch gelungen, eine Religion zu stiften aus einer Erkenntnis, die abstrakt dem gewöhnlichen Menschen niemals zu eigen werden kann. Nicht viel auf einmal lesen wir daraus. – 

Und nach einer kleinen Pause, durch den Winter unseres Mißvergnügens hingeleitet, nehmen wir „R. III“ vor und können nicht davon loskommen, auch im Gespräch!

Die Unterbrechung: „Margaret“, „Richard“, „He“ unter anderem ist einer jeder Blitze, die einem die Wahrhaftigkeit der Scene grell hervortreten [lassen], den Dichter aber immer unsichtbar unfaßbarer machen. Wie war er, dieser Unbegreifliche, vor dessen Gewalt alle schwinden? – Welcher dichter aller Zeiten und Zonen hätte sich gestatten dürfen, seinen Held beständig förmlich das Programm seiner Handlungen machen zu lassen, ohne uns den Glauben an die Wahrheit verlieren zu lassen – hier glaubt man alles, so war es, so waren sie. Wir sind wiederum einmal wie zerschmettert.


* Wahrscheinlich „durch es“, das Gesetz gemeint
** Richard III. von Shakespeare 

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