Mittwoch, 2. März.

Durchquerung des Suez-Kanals.

Wir legten uns etwas zur Ruhe um 12 Uhr, um dann bei der Abfahrt frisch zu sein. Ich schlief und träumte gewaltig, bis der Capitain uns aufweckte. Wir gingen auf’s Deck, wo es recht kühl und windig geworden ist; wir stellten uns auf die Steuer-Ruder-Brücke und sahen dem Vorgange der Abfahrt zu, welche um 3 Uhr 30 stattfand. – 

ein französischer und griechischer Employé sind mit an bord, um die Fahrt durch den Canal zu dirigieren. – Der Reflector leuchtet sehr weit hin und zeigt in grellem Lichte den Eingang in den Canal und den Anfang der endlosen Sand-Wüste.
Wir Zwei preisen die modernen Erfindungen! besonders die Elektricität. Was hätten wir von der Fahrt gehabt, brannte nur das schwache Gas. Und welche Effecte dieser Reflector macht, wie gespenstisch und eigenthümlich alles sich ausnimmt, viel interessanter als am Tage, wo der gelbe Sand uns blendet und in die Augen weht. 
Um 4 Uhr legten wir uns wieder schlafen und ruhten bis zum Frühstück; die ganze Mannschaft war während der ganzen Nacht wach, natürlich auch der Capitän, so dass die armen Kerle heute recht müde aussehen.

Nach dem Frühstück gingen wir auf’s Deck; es ist warm aber sehr windig von Süden her. Der Sand fliegt einem tüchtig in die Augen. Der Anblick der Wüste um uns herum hat etwas grossartiges – kein Baum, kein Stein, nur dazwischen die Canal-Stationen, mit einigen mühsam gepflanzten Palmen und Eucalyptus-Bäumen – Camele mit Arabern darauf – sonst nichts zu sehen.
Wir begegneten vielen grossen Schiffen, meist-englischen; besonders gefiel uns ein colossales Truppen-Schiff „Orontes“, was wahrscheinlich aus China kam mit mehreren hundert Marine-Sodaten. Man guckte sich gegenseitig neugierig mit dem Opern-Glas an; sie nahmen sich wirklich alle famos aus. Man kriegt einen Mords-Respect vor diesen Welt-Beherrschern. 

Nach dem Luncheon las ich Gobineau zu Ende. Gegen 3 Uhr passieren wir einen der Salz-Seen dessen Küste ganz wie unsre gute Schildaer[1] „Birke[2]“ aussieht, mit dürrem Nadelholz bewachsen – da musste ich an meinen Spaziergang zu Weihnachten mit Mama denken und alles ging mir wieder durch den Kopf, doch ganz anders und ich hörte Mamas wundervolle Worte. –  – 

Erst um 11 Uhr sahen wir die Lichter von Suez, es war tüchtig windig; um ½12 Uhr ankerten wir im Hafen, weit von der Stadt um nach einigen Stunden die Fahrt wieder aufzunehmen. So hatten wir also den Canal in ungefähr 19 Stunden passiert. 


[1] Der in der Familie gebräuchliche Spitzname für Bayreuth.
[2] Ein altes Gut in der Nähe Bayreuths.


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