Montag 11ten (11. Mai 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Herr Schott ist nun in Mailand gestorben. – 

R. las heute wiederum in Freytag und sagte: „Wie einem das wohltut, mit diesen sicher von uns erkannten Verhältnissen des Altertums zu tun zu haben und unsere Jesuiten- und Judenwelt, unsere komplette Barbarei zu verlassen!“ –

R. behauptet, daß die Deutschen sich noch gar nicht vom 30jährigen Krieg erholt und kein eigentliches Ehrgefühl und de daraus entstammende Sicherheit hätten. – 

Wie wir die Madonna von Raphael in dem Kindersaal betrachteten und ich meine, das sei naiv, Murillo und Corregion gegenüber sentimental, sagt R.: „Zu der Religion verhält sich diese Kunst wie Homer zu der Heldenzeit, sie verewigt, was schon entschwunden.“ – 

Ich muß den größten Teil des Tages heute zu Bett wegen Heiserkeit zubringen. R. schläft mich abends mit Freytag ein und bemerkt, daß es ihm sehr schwerfiele, eine völlige Anstrengung sei, schlechte deutsche Prosa zu lesen: „Man könnte wohl unsere Sprache euphonischer behandeln, ohne ihre Würde zu nehmen.“

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