Richard Wagner an Franz Schott am 31. Januar 1874

Briefwechsel | Richard Wagner und Franz Schott

Hochgeehrter Herr und Freund!

Ich sehe, ich muß Ihnen noch einmal Ausführliches schreiben, um unsere Sache zu einem kurzen Schlusse zu bringen.

Vorerst treffen Sie nicht das Rechte, wenn Sie meinen, zu meinem letzten Vorschlage an Sie habe mich das Interesse, meine Arbeiten so hoch wie möglich anzuschlagen bestimmt; vielmehr steht die Sache so: ich brauche jetzt fl. 10 000 (um die alte Erfahrung zu bestätigen, daß ein Hausbau – und Einrichtung immer noch einmal soviel kostet, als man anschlägt).

Dieses nöthige Geld erbitte ich mir von meinem wohlvermögenden Herrn Verleger als Vorschuß auf meine künftig ihm zu liefernden Arbeiten. Ich glaube einfach, die Sache Ihnen ebenso vortragen zu können, und komme nun auf diese einfache Form zurück; die Schwierigkeit sah ich einzig voraus, eine Taxe für den Verlagswerth meiner zukünftigen Arbeiten zu liefern, und, um jeder später entstehenden, vielleicht aufreizenden Differenz in diesem Punkte auszuweichen, griff ich zur Bezeichnung einer Taxation, wie sie mir durch mein Anerbieten der Firma Peters an die Hand gegeben war; und dieser Weg erschien mir um so willkommener, da ich wirklich während der mühevollen Ausarbeitung meiner großen dramatischen Partituren viele Ansätze und schnell entstandene Entwürfe zu solchen Orchestercompositionen, wie ich Sie Ihnen jetzt anbot, unterdrückte und zurücklegte, welche ich nun mit der Vollendung jener letzten großen Partitur zu wahrer Erholung und Freude wahrzunehmen und auszuführen gedenke. Daß Sie im Wesentlichen nun auf meinen Vorschlag eingehen, freut mich sehr; die vorläufige Beschränkung des anschläglichen Honorares für die angetragene Orchestercompositionen muß ich mir gefallen lassen, da es sich namentlich darum handelt, daß Sie mir diese Honorare auf nicht fertige Arbeiten zum Voraus zahlen sollen. Nur liegt es mir daran, jetzt fl. 10 000 zu haben, weil ich sonst mit meinem Hause nicht weiter kann, da es sich um Rückstände und baare Anschaffungen handelt. Sie bringen nun die Frage wegen der Texte des „Nibelungenwerkes“ auf. – 

Sie wissen, hochgeehrtester Freund, daß ich damals, als wir über die Herausgabe meiner „Nibelungenwerke“ überhaupt verkehrten, in einer sehr verwahrlosten und verlassenen Lebenslage mich befand, daß ich im allgemeinen nur Unterstützung und Aushülfe von Ihnen erbat, und Sie mit mir der Meinung waren, mir Geldvorschüsse zu machen auf zu liefernde Arbeiten, deren Werth wir seiner Zeit nach Billigkeit berechnen würden. Hierüber sind Jahre vergangen, in welchen sich meine Lage auch in so weit bedeutend veränderte, daß meine Arbeiten in der zur „Aufführung“ Fertigwerdung der Stücke des „Nibelungen-Ringes“ es steht, so ist es mit jedoch evident geworden, daß ein neues dramatisches Werk von mir, als welches ich vor einiger Zeit noch die „Götterdämmerung“ hätte ansehen können, von manchem Verleger, welcher eben ein solches Werk von mir in seinem Verlage gewünscht hätte, wohl noch einmal so hoch honorirt worden wäre, als ich dies von Ihnen in Folge früherer brieflicher Zusicherungen jetzt mit Recht beanspruchen konnte. Durch Bestimmungen des neuen Reichsgesetzes hierauf hingeleitet, lag es mir daher wohl nahe, an eine Erhaltung der Verwerthung des Textes für mich zu denken, und dies um so mehr, als geraden diesen n e u e r e n Bestimmungen nach solche Texte jetzt und in Zukunft bedeutend höher zu verwerthen sind, als dies nach den früheren laxen Gesetzesbestimmungen möglich war.  

In Berücksichtigung dieses Umstandes wäre es an Ihnen, hochgeehrtester Freund, gewesen, als es zur Abrechnung zwischen uns kommen sollte, mit einem dem erhöhten Werthe der Sache entsprechenden Anerbieten mir entgegenzukommen. Ein mir noch jetzt unerklärliches Zögern Ihrer Seits in diesem Punkte machte mich – traurig, und ich mußte es nicht für ungeeignet halten, Geschäftskunden zur Veranlassung einer Abrechnung und Preisermittlung Vollmacht zu ertheilen. Diese Vollmacht an die Herren Voltz und Batz ist aber mit jener förmlichen Abmachung erloschen, worüber ich neuerdings auch bestimmt an diese Herren mich erklärt habe. Sie haben demnach jetzt überhaupt nur mit mir selbst zu thun, wenn es zu einem neuen Abschluß kommen soll.

Ehe ich Ihnen meinen Vorschlag hierfür fomulire, muß ich aber noch einmal auf die Texte besonders zurückkommen. Ich weiß, was unter günstigen Umständen der Verkauf dieser Texte eintragen kann, und zwar eben druch Breitkopf & Härtel, welchen ich den Text zu „Lohengrin“ gegen die Theilung des Reinertrages mit mir abgetreten hatte; diese fanden sich veranlaßt, als erste Abrechnung im Jahre 1859 mir fr. 1000 zu übersenden. Bald darauf gerieth ich in solche Nöthen, daß ich jenen Herren gegen 100 Louis d’or überhaupt alle meine weiteren Ansprüche für „Lohengrin“ abtrat. Als wir uns eine Abrechnung überhaupt noch verbehalten ließen, bedang ich mir aber bereits, daß ich eine Gesamtdichtung des „Ring des Nibelungen“ bei einem Buchhändler meiner Wahl besonders herausgeben dürfte, wofür das öffentliche Erscheinen dieser Dichtung bei J.J. Weber zeugt. 

Leider konnte ich diesem mir sehr bedenklich gewordenen Herrn eine zweite Auflage davon nicht entziehen; diese hat aber mit diesem Jahre zu erlöschen, und das Recht ferner Auflagen fällt mir allein zu. Dieses Recht, also mit den einzelnen Texten der Stücke auch die ganze Dichtung zusammen in Zukunft zu veranstalten, will ich nun Ihnen förmlich abtreten und nur das Einzige mir ausbedingen, daß es ferner in neuen Auflagen meiner „gesammelten Schriften und Dichtungen“ (9 Bände) unbeanstandet wiederabgedruckt werden darf. – Nur wünsche ich dieses Recht Ihnen nicht mit einem bestimmten Honorare für alle Zeiten zu verkaufen, sondern es möge stipulirt werde, daß Sie und Ihre Erben oder Rechtsnachfolger bis 30 Jahre nach meinem Tode (Reichsgesetzmäßig) das einzige Recht haben, meine Dichtung „der Ring des Nibelungen“ vollständig oder die einzelnen Theile desselben zu drucken und zu verkaufen, wogegen Sie für sich, Ihre Erben oder Rechtsnachfolger sich verpflichten, mir oder meinen Erben oder Rechtsnachfolgern die Hälfte des nach Abzug der Druck- und Vertriebskosten sich herausstellenden Reinertrages hiervon in jährlichen Abrechnungen auszuzahlen.

Ich ersuche Sie nun, diese Übereinkunft als Anhang (oder Zusatz) zu Ihrem Exemplare des von uns jetzt abgeschlossenen Vertrages deutlich ausführen zu lassen, und da Sie wünschen, daß auch unsere neueste Übereinkunft im Betreff des gewünschten Vorschusses in den gleichen Vertrag eingefügt werden möge – so bitte ich Sie ferner, diesen Schlußpunkt dem Sinn nach in folgender Fassung zu genehmigen und eintragen zu lassen:

„Ich (R.W.) verpflichte mich außerdem, von heute ab jedes von mir zu verfassende Musikwerk Herrn F. Schott zum Verlage zuzustellen, und soll der Honorar-Werth meiner Compositionen nach dem Maaße berechnet werden, nach welchem eine Orchestercomposition von der Größe und Bedeutung einer Ouvertüre, wie ähnlich die von mir vor längerer Zeit erschienene „Faust-Ouvertüre“ als Minimum mit fl. 1000 bezahlt wird; wogegen ein vollständiges großes dramatisches Werk einer besonderen Vereinbarung wegen des Preises unterworfen bleibt.

Hiergegen zahlt Herr F. Sch. sofort an R.W. die Summer von fl. 10 000 aus, welche als Vorschuß sowohl auf die zu liefernden Compolsitionen als auf die R.W. zukommenden Antheile am Vertrieb der Texte zu dem `R. d. N.´. bis zu gänzlichen Tilgung desselben berechnet wird.“ – 

Thun Sie das, mein hochgeehrter Freund, denn so hat Alles einen guten Anstand! Schicken Sie mir das so ergänzte Exemplar des Vertrages mit Ihrer Unterschrift zu; ich lasse dann das meine genau danach hier herstellen, und wir tauschen diese Exemplare dann mit unseren gegenseitigen Unterschriften versehen aus, wogegen ich das dritte Exemplar aus den Händen meiner früheren Bevollmächtigten zurückziehe.

Das Geld selbst bitte ich, mir sofort mit fl. 4000 baar (oder dem gleich), den Rest von fl. 6000 in zwei Wechseln auf 6 Wochen und 3 Monate zu übermachen.  

Seine Sie versichert, es wird zu Guten führen! …

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