Sonnabend 17ten (17. Januar 1874)

R. hatte eine üble Nacht, wilde Träume, unter anderm, daß Frau Wesendonck ihm ein jüngst geborenes Kind zeigte, bei ihr höre das nicht auf, bemerkend; dann, mit der größten Naivität, gab sie dem Kind, welches eine seltsamen Kopf-Putz hatte und frühreif war, daß R. vermeinte, es hab weißes Haar, die Brust – „so naiv geht das hier her“, sagte R., da kam ein großmächtiger Geier auf Mutter und Kind zu, R. verscheuchte ihn zuerst, er kam aber wieder auf sie losgestürzt. – Da erwachte er. – Dann traf er mich schwarz gekleidet, sehr belaß und traurig aussehend, auf der Straße in Paris, wollte mich heimführen, „Herr Gott, aber Minna lebt ja noch – sie wird auch sagen, sie hat nichts gekocht. Dieser Unsinn muß doch aufhören“. Still haltend hätten wir uns dann aufgemacht, uns in den immer verirrter werdenden Straßen verloren. – 

Gestern freute ich mich einer aufblühenden Cyklame, Malwiden hatte ich den kleinen Topf geschenkt, Trennung tritt ein, die kleine Pflanze treibt ihre Blüten; 

nicht wie die Kinder möchte ich werden, aber wie die Pflanzen, lautlos Menschenverderbliches einatmend, lautlos heilsames ausatmend, stumm blickend erfreuend, stumm vergehend, dem Lichte zustrebend, schützend entgegenstrebend. – 

Wie ich R. von der neu erblühten Cyklame erzähle, sagt er: Ja du bist noch dankbar, du hast dieser Gabe oder bist noch so jung, dich inmitten des Ärgers an etwas zu erfreuen, ich kann es nicht. – 

Hübsches Schlittschuhlaufen der Kinder. Heimgekehrt findet R. einen Brief des guten E. Heckel auf, der nicht an Herrn Wesendonck geschrieben, wie es hier abgemacht war, sondern anstatt auf den Vorschlag des genannten Herrn zurückzukommen, ihm einen andren machte, den Herr W. natürlich zurückweist. So ist es, ein jeder will der Klügste sein, — 

R. lacht sehr, als ich ihm sage: Nicht den Türkenglauben, sondern die Christengeduld muß man in dieser Sache haben. 

Abends Quartette von Beethoven mit R. gespielt; die Sammlung des Herzens, von der die Upanishads sprechen, wird hier wie ein Wunder hervorgebracht, und in dieser Sammlung wie auf klarem ruhigem Wasser erblüht das tönende Entzücken. Hier ist das Brahm, die Andacht erreicht, hier ist das Nicht-sein, und dem Erkennenden ist man nah. —- 

Wie ich R. von der Reinheit und Keuschheit dieser Musik sprach, sagt R.: „Ja, das ist deutsch, und das war seine Basis, bei Mozart kommt es auch dazu, aber seine Basis ist doch die italienische gefällige Opernkunst.“ — Heute früh rief mich R., sagend, ich will dir die zwei Feuerbachs, Philosoph und Maler, im Orbis pictus zeigen, darauf zeigt er mir zwei Feuerländler – ich muß sehr lachen, auf der Seite voran waren die großen Männer nicht viel besser. (Träne des Gewächshauses).

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