Sonntag 1sten (1. März 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

R. erzählt mir zwei Träume, die er diese Nacht hatte, der eine war ein Abschied von Minna, wobei er sie erschreckt frug, Herr Gott, hast du denn Geld von mir erhalten? Sie freundlich: „Denkst Du jetzt daran“, worauf herzlicher Abschied, er aber sich sagend: „Nun wirst du ihr schriftlich besser sagen können, daß es nicht mehr geht, daß wir zusammen leben.„ Der zweite spielte in Paris, im Foyer der großen Oper, wo R. dirigieren sollte, ein Werk von sich aufführen, und höhnisch von den Orchestermitgliedern empfangen wurde; einer: „Sie bilden sich wohl ein, hübsch zu sein und zu gefallen. Sie wollen wohl hier Ihr Werk aufführen.“ R. sucht sie dahin zu beruhigen, daß er nie ein Orchester gequält habe, nicht aber beachtet wird; wie es an das Einstudieren gehen soll, verliert er seinen Hut, sucht, und mit Hohngelächter bringen ihm die Orchestermitglieder allerlei Kinderhüte vor, worauf Erwachen. –

Ich gehe in die Kirche, O Haupt voll Blut und Wunden, darauf leider Predigt.
R. arbeitet; zu Tisch den Macedonier, dem R. einiges über Tempo sagt, „freilich“ sagt R., „muß einer einen Eindruck davon haben, er muß wissen, wenn er es gut gehört hat und dann schlimm hört, daß es nicht dasselbe ist“. Mit dem Metronom ist da nicht zu tun. 

Die Nohltätigkeit(1), wie R. das neuester Buch des guten Mannes nennt, macht uns sehr lachen.

Wie der Fremde sich entfernt hat und, R. und ich, wir uns umarmen, sagt er zu mir: „Du bist unvergänglich schön!“ – – –

Am Morgen erzählte er mir, daß Minna ihm mit der Herausgabe ihrer Memoiren gedroht habe, was mich sehr lachen macht. –

Wie er von Tempo spricht, erzählt er wiederum von der Schröder-Devrient, wie sie in eine Probe von „Wilhlem Tell“ gekommen sei und ihm gesagt, doch nicht die Tyrolienne so rasch zu nehmen, „sie konnte das Schludern nicht leiden“, sagt R. 

Abends wollen wir die Kupferstiche ordnen, es gelingt aber nicht und wir kehren zu Gibbon zurück.

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(1) Von Prof. Nohl; gemeint ist vermutlich das Werk: Beethoven, Liszt, Wagner. Ein Bild der Kunstbewegung unseres Jahrhunderts von Prof. Dr. Ludwig Nohl, Wien, 1874

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